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	Wilhelm Wien: Über die Wandlung des Raum- und Zeitbegriffs in der Physik

der Länge $l$ die Zeit ${\frac {2l}{c{\sqrt {1-{\dfrac {v^{2}}{c^{2}}}}}}}$ braucht, während er im ruhenden System ${\frac {2l}{c}}$ braucht, so müssen, damit hierdurch die absolute Bewegung nicht wahrnehmbar wird, alle Zeiten im bewegten System sich in diesem Verhältnis verlängern.

Uhren müssen im bewegten System vom ruhenden aus betrachtet langsamer gehen als im ruhenden System.

Fig. 3

Die Zeit wird aber noch von einer anderen Veränderung betroffen. Es seien $A$ und $B$ zwei Zahnräder (Fig. 3) auf einer festen Achse. Es gehe ein Lichtstrahl durch die Lücken des Zahnrades $B$ und gelange in $A$ auch durch eine Zahnlücke.

Setzen wir die Achse in Rotation, so wird bei bestimmter Geschwindigkeit das Rad $A$ sich soviel gedreht haben, dass der Lichtstrahl in $A$ auf den Zahn trifft und nicht mehr hindurchgehen kann. Ein umgekehrt durch eine Zahnlücke von $A$ gehender Strahl wird in $B$ von einem Zahn aufgehalten werden. Setzen wir nun das ganze System in der Richtung $BA$ in Bewegung, so braucht der Lichtstrahl mehr Zeit um nach $A$ zu gelangen und das Rad müsste wenn die ganze Verbindung starr wäre jetzt etwas langsamer laufen damit der Lichtstrahl in $A$ einen Zahn trifft. Umgekehrt wird aber ein Lichtstrahl von $A$ nach $B$ schneller gelangen und der Lichtstrahl wird nun nicht bei $B$ vom Zahn aufgehalten werden. Dieses Experiment könnte uns die absolute Bewegung anzeigen. Damit dies nicht eintreten könne, muss bei gleicher Umdrehungsgeschwindigkeit eine Drehung des Rades $A$ gegenüber dem Rade $B$ eintreten, welche die durch die Bewegung hervorgerufene Unsymmetrie wieder aufhebt. Da nun das Rad als Uhr angesehen werden kann so ist diese Aussage gleichbedeutend damit, dass die Zeit in $A$ sich von der Zeit in $B$ unterscheiden muss. Nennen wir $t$ die Zeit in $B$ und $\tau$ den Unterschied der Zeiten in $A$ und $B$, so muss sein, wenn $x$ die Strecke $AB$ bezeichnet

$t+\tau ={\frac {x}{c-v}}\qquad t-\tau ={\frac {x}{c+v}}$

woraus folgt

$2\tau =x\left({\frac {1}{c-v}}-{\frac {1}{c+v}}\right)={\frac {2vx}{c^{2}-v^{2}}}$

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Wien: Über die Wandlung des Raum- und Zeitbegriffs in der Physik. Sitzungsberichte der physikalisch-medizinischen Gesellschaft zu Würzburg, Würzburg 1909, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WienRaumZeit.djvu/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)