Walther Kabel: Wie ein König neue Moden bekämpfte. In: Das Buch für Alle, 49. Jahrgang, Heft 1, S. 22–23 | |
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Als dieser Zug an dem Monarchen und dem großen Gefolge langsam vorbeikam, brachen sämtliche Anwesende in ein tobendes Gelächter aus. Friedrich Wilhelm selbst verzog keine Miene. Als der letzte der Riesengardisten gravitätisch vorüberschritt, wandte der König sich plötzlich um und sagte laut zu dem Grafen Rothenburg, der vor Ärger und versteckter Wut ganz grüngelb geworden war: „Wie gefallen Ihm die Kostüme, lieber Graf? – Ich habe sie besonders für das diesjährige Fastnachtspiel herstellen lassen und wollte auf diese Weise erst einmal ihre Wirkung erproben.“
Der Franzose stotterte irgend eine Antwort. Und Friedrich Wilhelm wendete sich lächelnd ab. Er hatte seinen Zweck vollkommen erreicht. Denn niemand seines Hofstaates dachte daran, die neue Mode mitzumachen. Auch Graf Rothenburg wurde in seiner albernen Tracht nie mehr gesehen. –
Ein andermal erschien die Baronin Hallern in einer jener Riesenfrisuren auf einem Hoffest, wie sie damals in Paris Mode waren. Während der Quadrille schritt Friedrich Wilhelm plötzlich auf die Baronin zu. Die Musik verstummte gleichzeitig.
„Finden Sie Ihre Frisur wirklich schön?“ fragte der König die erschreckte Dame mit einer Stimme, die bis in die entferntesten Ecken des Saales vernehmbar war. Und ohne eine Antwort der Baronin abzuwarten, fuhr der Monarch ebenso laut fort: „Ich habe nicht geglaubt, daß es in Preußen so kleine Hirne gibt, die sich unter so großen Frisuren verstecken müssen.“
Damit waren auch die Turmfrisuren für den Potsdamer Hof für alle Zeit erledigt.
Walther Kabel: Wie ein König neue Moden bekämpfte. In: Das Buch für Alle, 49. Jahrgang, Heft 1, S. 22–23. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1914, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_ein_K%C3%B6nig_neue_Moden_bek%C3%A4mpfte.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)