fürchtet. Jedenfalls ist seine Furcht – die Brotfurcht – begreiflicher als alle anderen Bedenken. Den vierten im Bunde bezeichnet Frau Dohm als den »Ritter der Mater dolorosa«, der den Tempel bedroht sieht, einen imaginären Tempel, in dem das Weib, seiner Ansicht nach, nichts anderes zu tun hat, als durch rührende und anmutige lebende Bilder diese prosaische Welt zu verklären.
Aber diese Ritter des Antifeminismus, die Frau Dohm in ihrem prächtigen, kraftvollen Buche aufzählt, gehören zu der Gruppe der Ungefährlichen; es sind meist Ritter von sehr trauriger Gestalt – sie verführen und blenden kaum irgend jemanden, der nicht von vorneherein ihrer Gesinnung wäre. Gefährlich und verführerisch sind nur die anderen – die Ästhetiker. Dem beängstigenden Problem »Nietzsche und die Frauen« weicht Frau Dohm nicht aus: scharf, ruhig und fest faßt sie den herrlichsten Feind ins Auge, und sie findet die Formel, die die Verirrung des einsamen Großen erklärt, die Begründung für seinen seltsamen Aberglauben, seine naive Fetischliebe zum Haremsystem, diesem Produkte der »Ungeheuern Vernunft Asiens«. Woher kommt es, fragt sie sich, daß selbst vornehme, kühne und tiefe Denker sich oft aller Logik, Wissenschaftlichkeit und vor allem Gewissenhaftigkeit (den Tatsachen gegenüber) bar erweisen? Daß sie dann mit Gefühlen, Instinkten, Intuitionen und Wissenschaftlichkeit jonglieren? Nietzsche selbst gibt ihr die Antwort: »Auch große Geister haben nur ihre fünffingerbreite Erfahrung; gleich daneben hört ihr Nachdenken auf und es beginnt ihr unendlich leerer Raum und ihre Dummheit.«
Aber noch verführerischer, noch blendender als der Dichter – kommt der Philosoph. Mittels übersinnlicher Spekulation konstruiert er seine Waffen, und er, der Metaphysiker, wäre der einzig zu fürchtende Feind, weil er sich in Regionen bewegt, in denen sich nicht hart und wahrnehmbar
Grete Meisel-Heß: Weiberhaß und Weiberverachtung. Die Wage, Wien 1904, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weiberhass_und_Weiberverachtung.djvu/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)