gehört, macht er sich, wie alle seine auf reale Tatsachen bezüglichen »Beweise«, recht leicht. Da er aber schon »die Bereitwilligkeit, sich flüchtig berühren oder streifen zu lassen«, – »Dirneninstinkte«, nennt, ja, was ist dann um Himmelswillen der Mann, der meist noch ganz andere »Bereitwilligkeiten« hat?!
Was die Prostitution betrifft, so meint Weininger, eine solche Erscheinung müsse »in der Natur des menschlichen Weibes liegen«, ein solcher Hang müsse »in einem Weibe organisch, von Geburt an liegen!« Nun verläßt mich beinahe die Langmut ruhiger Kritik. Wie?! Nicht in dem unerbittlich abwärts treibenden Elend, in der Brotlosigkeit, in der erbärmlichen Entlohnung weiblicher Arbeit, der Stellenlosigkeit, der Ehelosigkeit, mit einem Wort: nicht in den Grundzügen unserer herrlichen, vom Manne für den Mann gemachten gesellschaftlichen »Ordnung« liegt die Ursache der Prostitution, sondern in der Vorliebe für diesen beglückenden Beruf?!
Muß nicht, im Gegenteil, in der Natur solcher Männer eine Vorliebe für die Prostitution liegen, die ohne Zwang, ohne damit nach Brot zu streben, sondern aus freier Wahl die Nächte ihrer besten Jahre mit geschlechtlichen Ausschweifungen verbringen?!
Mit kindlicher Einfalt wird gefragt, warum denn der verarmte Mann nicht die Prostitution zum Broterwerb wähle! Warum??
Erstens: weil er mehr Stellen findet als das Weib.
Zweitens: weil er damit schlechte Geschäfte machen würde, da die Zahl der Weiber, die männliche Prostituierte auszuhalten das Bedürfnis haben, immerhin (trotzdem es ihrer gibt) eine geringe ist.
Drittens: weil er von »unehrlichen« Berufen für den des Schwindlers, Betrügers, Hochstaplers mehr Gelegenheit hat als das Weib.
Grete Meisel-Heß: Weiberhaß und Weiberverachtung. Die Wage, Wien 1904, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weiberhass_und_Weiberverachtung.djvu/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)