alles wird, wächst, schwindet, kehrt wieder, – nirgends Stillestehen und Ende, – »alles fließt« – und im Buche eines Gelehrten des XX. Jahrhunderts wird Wandlung durch Entwicklung – bezweifelt!
Weininger verläßt nun vollständig das Gebiet der Theorie und begibt sich auf den Boden der Tatsachen. Aussage folgt auf Aussage, – und was da kurz und eilig, in rascher Folge nacheinander behauptet wird, ohne durch die geringste reale Beweisführung gestützt zu sein, mutet wie ein einziges Wirrsal an, – ein Labyrinth, in dem sich der, der es konstruierte, selbst nicht mehr zurechtfindet. Mit einer so dezidierten Bestimmtheit werden da fixe Vorstellungen als unanzweifelbare Tatsachen hingestellt, – daß sie der Polemik förmlich entheben, da ihre monströse Verkehrtheit schon durch ihre Zitierung erhellt:
»W befaßt sich mit außergeschlechtlichen Dingen nur für den Mann, den sie liebt, oder um des Mannes willen, von dem sie geliebt sein möchte.« Lüge! Mehr läßt sich auf eine solche Behauptung nicht erwidern. »Ein Interesse für diese Dinge an sich fehlt ihr vollständig.« Abermals Lüge, einfach schlechtweg Lüge!
Wenn eine »echte« Frau z. B. Latein lerne, so tue sie das nur, um etwa ihren Sohn darin zu überhören! – Bedarf die – Albernheit (man kann es beim besten Willen nicht anders nennen) dieser Behauptung und ihrer Benützung als Faktor zur Beweisführung weiblicher Minderwertigkeit – einer Debatte? Daß W »nichts ist als Sexualität« – M »noch etwas darüber« – das zeige sich besonders deutlich in der Art, wie M und W ihren Eintritt in die Periode der Geschlechtsreife erleben. M empfinde die Zeit der Pubertät krisenhaft und beunruhigend, was auch begründet sei durch – hier wird ein physiologisches Phänomen genannt – »über das der Wille keine Gewalt hat«. Das Weib aber finde sich
Grete Meisel-Heß: Weiberhaß und Weiberverachtung. Die Wage, Wien 1904, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weiberhass_und_Weiberverachtung.djvu/33&oldid=- (Version vom 1.8.2018)