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Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,1.pdf/355

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In welcher Weise König Rudolf 1286 dem Rate die Gewalt über den Stadtfrieden gab, ist geschildert worden. Der Zweck war, die an sich straflose Selbsthilfe zu beschränken; das ordentliche Strafrecht wurde ergänzt, für das Stadtgebiet ein höherer Friede, der Stadtfriede, geschaffen, dessen Hüter und Richter nun der Rat sein sollte. Wichtigste Äußerungen hievon waren die großen Stadtfriedensgesetze, 1339 in der erregten Zeit der Kämpfe zwischen Kaiser und Papst erlassen. Sie galten für das Gebiet innerhalb der Kreuze und bedrohten mit Strafe den Todschlag, die Verwundung, das unbefugte und verdächtige Waffentragen Alarmieren Zusammenlaufen. Als Strafe war durchweg Verweisung angedroht; Schärfung trat ein, wenn der Stadtfriede Streitenden ausdrücklich geboten und dies Gebot von ihnen nicht beachtet worden war. Diese Stadtfriedensjustiz, die von Amtes wegen, nicht erst auf Klage geübt wurde, war nicht entstanden als Eingriff in die Vogtsgewalt; aber ihre Anwendung machte sie zu einem solchen Eingriff deswegen, weil mit dem Gedanken des Stadtfriedens sich eine zweite Tendenz verband: Schutz der Bürger vor nicht städtischem Richter. Indem der Rat den Bürger, der einen Todschlag begangen, „in Gehorsam nahm“, d. h. seine Bestrafung sich selbst vorbehielt, entzog er ihn dem Vogte. Schon 1366 berief er sich im Vogtsgericht anläßlich eines solchen Falles auf altes Recht, wonach der Vogt von Einem, den der Rat schon behandelt, nicht mehr richten dürfe; werde dieser dennoch von dem Vogte belangt, so solle ihn der Rat verantworten. Nur wenn ein Todschlag als „gar unredlich“ erkannt werde, könne der Rat den Vogt um Gericht bitten d. h den Verbrecher dem ordentlichen Verfahren überweisen, das mit der Todesstrafe endigte.

Das Zweite war die Gerichtsbarkeit der Unzüchter, eines durch den Rat bestellten Kollegiums. Schon frühe war dieses entstanden, wohl vor Eintritt der Zunftratsherren in den Rat, zum Zwecke, das Schultheißengericht zu entlasten oder dessen Geschäftsbesorgung, die dem Rate nicht rasch genug ging, durch das kürzere Verfahren einer kleinen eigenen Behörde zu ersetzen. Ein Ritter und zwei Burger, vierteljährlich wechselnd, hatten über „Unzuchten“, das ist Unfugen wie Messerzücken Schlägerei Beschimpfung u. dgl., zu urteilen und erhielten hievon den Namen. Sie konkurrierten also mit dem vom Untervogt geleiteten Ausschusse des Schultheißengerichts für Unrecht und Frevel, wobei dem Kläger die freie Wahl des Forums blieb. Auch wurde ihnen eine Exekution der Schultheißensprüche um Geldschuld gegeben.

Vielleicht aber blieb der Rat hiebei nicht stehen, sondern griff mit der Zeit auch über Stadtfriedens- und Unzüchterfälle hinaus in die Macht

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/355&oldid=- (Version vom 10.11.2016)