die andre jung und schön, aber aus der älteren werde niemand klug und die jüngere habe Raupen im Kopf. Sie war, wenn ich nicht irre, ein ganzes Jahr in Paris, um sich von Charcot behandeln zu lassen. Wenn dir das besonderes Vertrauen einflößt, so gratulier’ ich dir zu deiner vertrauensseligen Natur.“
„Ach was, sie war ein wenig hysterisch, das gibt sich in der Ehe,“ erklärte die Gräfin.
„Selbst nach dem, was deine neugierige Freundin Rosin’ dir schreibt, steht es schlecht um ihre Gesundheit,“ wendete hartnäckig der alte Graf ein.
„Etwas Vorübergehendes,“ replizierte die Gräfin. „Bildschön muß sie sein,“ murmelte sie hierauf wie zu sich selbst, „eine Schwiegertochter, mit der man Staat machen könnte. Die ältere Schwester dürfte kaum mehr heiraten; man müßte zusehen, daß sie nicht unter den Einfluß der Geistlichkeit gerät. Hm! hm! Jedenfalls werde ich trachten, mich zu orientieren. Wo ist den Annie?“
Aber Annie war verschwunden. Die Gräfin verfügte sich in das Schloß zurück, um ihren Schlachtplan genau zu überlegen.
Kurze Zeit darauf trat Annie von neuem auf die Terrasse. Sie brachte dem alten Herrn sein Gabelfrühstück. Das that sie immer selbst. Sie stellte den leichten Imbiß, ein paar Sandwiches und ein Glas Wein, auf den kleinen Tisch aus Korbgeflecht,
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/246&oldid=- (Version vom 1.8.2018)