Großvaterstuhl bequem, schraubte seine Lampe zurecht, sah nach, ob das Petroleum noch bis in den Morgen hinein vorhalten würde, worauf er sich in eine Broschüre über die österreichische Artillerie vertiefte. Von Zeit zu Zeit horchte er in das Nebengemach hinein auf Swoyschins Atemzüge. Sie kamen ruhig und regelmäßig, wie die eines Menschen, unter dem die Welt versunken ist, und der sich in gänzlicher Vergessenheit von einer großen Erschütterung erholt.
„Gott sei Dank! Armer Bursch! Vielleicht schüttelt er doch noch den Alp von sich ab,“ murmelte er vor sich hin.
Da – es mochte gegen ein Uhr sein – auch nicht der fahlste Dämmerstreifen brach sich durch die Gardinen, hörte der Oberst gegen Swoyschins Fenster etwas wie das Streifen eines leichten Flügelschlags, so, als ob ein Vogel durch eine Glasscheibe herein will, dann … mit einemmal war sein Zimmer dunkel, die Lampe ausgelöscht. Er wollte aufspringen, Licht machen, konnte aber keine Zündhölzer finden. Er stand da wie gebannt, und deutlich hörte er das Rascheln und Schleifen eines lang nachschleppenden, seidenen Frauengewands, dann ein leises Lachen, leise, höhnisch, siegesgewiß und grausam … jetzt noch einmal!
Ihm stockte der Atem. Sein Bewußtsein verwirrte sich; was weiter geschah, darüber vermochte er sich keine Rechenschaft zu geben. Als er endlich
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/227&oldid=- (Version vom 1.8.2018)