Es war stellenweise keck, banal und einschmeichelnd, wie ein neapolitanischer Gassenhauer, dann wieder tief und geheimnisvoll aufreizend, wie ein Wagnerisches Leitmotiv, dann plötzlich ganz leise in einem magischen mezzo voce kam die seltsame musikalische Phrase mit der chromatischen Figur. Diesmal begleitete sie die Phrase mit Worten:
„Un quarto d’oro potrei mi amar!“
Der Sonnenuntergang war verglommen. Wie ein finsterer Wall türmten sich die Gewitterwolken an der Stelle, wo das Gestirn versunken war. Um die Ufer des Weihers, dort, wo die Wasserlilien aufhörten, zog sich ein breiter Silberrand. Der Silberrand wurde schmäler, die weißen Blüten des Faulbaums wurden grau unter den langsam herabsinkenden Schleiern der Dämmerung.
Ein letztes Mal hinsterbend, halb erstickt, zitterte, schmachtete es in den Faulbaumduft hinein, den süßen Duft, in den sich eine heimliche Unlauterkeit mischt.
„Un quarto d’oro potrei mi amar!“ dann war alles still.
Es blieb auch still, der Beifall regte sich nicht. Die Kühnsten unter den Zuhörern fühlten sich erschreckt, fast verletzt, wie wohlerzogene Menschen immer, wenn plötzlich ein wilder Naturlaut in die zahme Civilisation hineindringt.
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/151&oldid=- (Version vom 1.8.2018)