Erscheinung Zug für Zug Gina Ginori glich?“ fragte eigensinnig der Oberlieutenant.
Sein Vorgesetzter dachte einen Augenblick nach, dann sagte er: „Sie müssen sie doch schon früher einmal gesehen haben; es bleiben so manches Mal Dinge in unsrer Seele abphotographiert, ohne daß wir das deutliche Bewußtsein davon haben, und unter gewissen Bedingungen treten die Bilder zu Tage.“
„Ich habe sie nie gesehen,“ behauptete Swoyschin fast verdrießlich.
„Ich merke, Sie lehnen jede natürliche Erklärung der Situation ab, weil Sie sich durchaus Ihren geisterseherischen Nimbus bewahren möchte,“ erklärte der Oberst. „Wenn Sie sich durchaus interessant vorkommen wollen, so kommen Sie sich meinetwegen interessant vor, aber wenn Sie meinem Rat folgen, so lassen Sie’s jetzt dabei bewenden, stöbern Sie nicht weiter in der dunklen Psychologie dieser verrückten Italienerin herum, es kommt nichts Gutes dabei heraus. Mögen Sie sich hundertmal hinter das Bewußtsein Ihrer guten Absichten zurückziehen, etwas Schuld hat ein Mann doch immer, wenn ihm aus Weibergeschichten Scherereien herauswachsen. Ein guter Kerl sind Sie ja, aber das kompliziert die Sache nur, denn nebstbei sind Sie eitel und neugierig. Sie wollen kein Unglück anrichten, aber es schmeichelt Ihnen doch, wenn sich ein Mädchen stark mit Ihnen beschäftigt.
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/130&oldid=- (Version vom 1.8.2018)