Wer’s war … was es war … weiß ich nicht. Später redete ich mir ein, es müsse doch ein Gebilde meiner Phantasie gewesen sein, die Verkörperung meines schlechten Gewissens. Aber ich habe kein schlechtes Gewissen, Herr Oberst, ich habe Ihnen genau die Wahrheit gesagt. Was hätten denn sie gethan, wenn Sie mit, sagen wir, mit Ihrer Mutter und Schwester so einem Geschöpf begegnet wären?“
„Gewiß, mein Lieber, hätte ich in dem Falle nicht anders gehandelt als Sie,“ erklärte der Oberst, „und niemand konnte anders handeln, aber … Ihr Unrecht liegt weiter zurück … Unrecht … Unrecht ist nicht das Wort … Unklugheit … ich weiß nicht … kurz, Sie hätten das arme Ding nicht erst mit so viel Rücksichten verwöhnen sollen – Rücksichten, die doch zu nichts führen konnten. Wenn Ihnen noch einmal ein hysterisches Mädel nachläuft, so werden Sie lieber gleich von Anfang an grob, es wird Ihnen wenigstens die Notwendigkeit ersparen, zum Schluß grausam zu sein! Ziehen Sie eine Lehre daraus für die Zukunft – und im übrigen lassen Sie die Toten ruhen in Frieden; es taugt zu nichts, in Gräbern zu wühlen!“
„Ach, ich war so froh, ein wenig vergessen zu haben!“ murmelte Swoyschin, der ganz blaß geworden war. „Diese Zusendung“ – er deutete auf den Zeitungsausschnitt – „ist eine unerhörte Gemeinheit,
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/064&oldid=- (Version vom 1.8.2018)