schwierige Aufgabe sein, aus diesen Bündeln von kunstlosen, langweilig erzählten Geschichten etwas, was an Volksüberlieferung erinnern würde, herauszufinden, und auch dann wird nichts anderes als eine dürftige Stoffangabe übrig bleiben.
Die aus Ungarn stammenden slovakischen Sammlungen tragen allen anderen čechoslavischen Sammlungen gegenüber einen eigentümlichen Charakter zur Schau. Man sieht schon in den vierziger Jahren eifrige Sammler, wie Rimavski an der Arbeit. Božena Němcová, als sie in den fünfziger Jahren nach Nordungarn zu Besuch kommt, werden ganze handschriftliche Sammlungen zur Verfügung gestellt, so dass sie nur zu wählen braucht, um mit den von ihr selbst gesammelten Stücken zwei Bände slovakischer Märchen herausgeben zu können. Škultety, Dobšinský, Francisci sind mit einer ganzen Schar von Sammlern unermüdlich, Volkserzählungen niederzuschreiben und in wiederholten Ausgaben wieder im Volke zu verbreiten – die Art und Weise jedoch, wie die Ausgabe geschieht, erweckt manches Bedenken. Es wird aus vielen Varianten ein Märchen gemacht, ohne dass die gewiss zahlreichen Abweichungen bekannt gegeben werden, die Form der einzelnen Stücke, die Anfänge und Schlussformeln, die Redewendungen wiederholen sich so auffallend, dass man nie weiss, ob man die Form dem Erzähler, dem Sammler, oder gar der Redaktion zuzuschreiben hat. Eins sieht man deutlich: dass die Erzählungskunst hier am stärksten entwickelt ist und je weiter nach Mähren und Böhmen, desto schwächer wird. Ihr Charakter jedoch, der mannigfache Inhalt und die eigentümliche Form, das alles müsste erst an einem neu gesammelten, vollkommen verbürgten Materiale von neuem beobachtet und studiert werden, bevor man den deutlich bemerkbaren Unterschied zwischen den Märchen der ungarischen Slovakei und der übrigen čechoslavischen Überlieferung näher bestimmen wollte. Vorerst müsste jedoch auch diese Überlieferung auf eine ganz andere Weise gesammelt und studiert werden.
Im ganzen sieht die Übersicht der čechoslavischen prosaischen Überlieferung recht trostlos aus, und es liegt die Schlussfolgerung nahe, dass das Sammeln derselben auf čechoslavischem Giebiete den anderen Nationen gegenüber recht ungenügend betrieben wurde. Es war jedoch von Anfang an nicht meine Absicht, diese Schlussfolgerung zu ziehen, da dieselbe vollkommen unrichtig wäre. Wollte man die Märchensammlungen anderer Völker einer kritischen Untersuchung unterziehen, so würde mit Ausnahme
Václav Tille: Das čechoslavische Märchen. Crosman & Svoboda, Prag 1907, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tille_Das_%C4%8Dechoslavische_M%C3%A4rchen.djvu/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)