In deinem Alter, mein liebes Kind, hat noch fast jedes Jahr sein eigenes Gesicht; denn die Jugend läßt sich nicht ärmer machen. Hier ist auch Manches anders geworden, was dir wohl erstan weh thun wird, wenn ich dich sonst recht verstanden habe. Erich hat sich gestern endlich das Jawort von Elisabeth geholt, nachdem er in dem letzten Vierteljahr zweimal vergebens angefragt hatte. Sie hat sich immer nicht dazu entschließen können; nun hat sie es endlich doch gethan; sie ist auch noch gar so jung. Die Hochzeit soll bald sein, und die Mutter wird dann mit ihnen fortgehen.
Wiederum waren Jahre vorüber. — Auf einem abwärts
führenden schattigen Waldwege wanderte an einem
warmen Frühlingsnachmittage ein junger Mann mit kräftigem,
gebräuntem Antlitz. Mit seinen ernsten grauen
Augen sah er gespannt in die Ferne, als erwarte er
endlich eine Veränderung des einförmigen Weges, die
jedoch immer nicht eintreten wollte. Endlich kam ein
Karrenfuhrwerk langsam von unten herauf. Holla!
guter Freund, rief der Wanderer dem nebengehenden
Bauer zu, geht’s hier recht nach Immensee?
Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/82&oldid=- (Version vom 1.8.2018)