Des Vaters heilig Wort, des Nathans Widersprechen
Ward für ein Spott geacht. Was Jonadab in Zechen
Aus vollem Munde führt, da folgte Preiß und That.
Nur Jonadab allein war liebster Freund und Rath.
Nun dieser schlaue Gast begunte bald zu mercken
Aus Ammons seltsam Thun, aus allen Wort und Wercken,
Was seine Kranckheit war. Kam Thamar für den Tag;
Der Printz war mehr erfreut, als wie er vormahls pflag,
Ward jählings blaß und roth, ließ manchen Seuftzer streichen.
War Thamar nicht allda; so wust er ihres gleichen
An zarter Schönheit nicht. Er grif ein Gläßlein Wein,
Das must auf Thamars Glück und Wolfahrt ledig seyn.
Neid, Hoffart, Lieb und Zorn die sind nicht zu verstecken.
Sie sind mit keiner Kunst noch Argelist zu decken.
Ob gleich die Zunge schweigt, die Augen ruhen nicht,
Sie stehen allzu bloß und mercklich im Gesicht.
Als nun der junge Fürst in einen grünen Garten
Alleine wandeln ging, der Unruh abzuwarten:
Trat Jonadab hinzu, der abgefeimte Mann,
Und sprach den leidigen mit diesen Worten an:
Wie hochgebohrner Printz? Wie soll ich das verstehen?
Wie seh ich ihn so gar in tiefen Sorgen gehen?
Wo ist der frische Muth, der noch für kurtzer Zeit
Allein zu lauterm Spiel und Kurtzweil war bereit?
Wo ist der helle Glantz der Augen hingewichen?
Wie ist das Purpur Roth der Wangen so verblichen?
Wie ist der schöne Leib in so geschwinder Zeit
So mager abgezehrt, gleich einem dürren Scheit?
Wo ist der tapfre Printz doch außer sich verblieben,
Der seinen Jonadab so hertzlich pflag zu lieben?
Wo gehn die Seuftzer hin? Gebt endlich doch Bericht?
Was meint der stille Mund, wenn er kein Wörtlein spricht?
Ein Krancker, der dem Artzt bekennt sein heimlich Wesen
Und öfnet seine Pein, der ist schon halb genesen.
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)