Ein Brillenpaucker seyn? Der Bürger Schmach und Fluch?
So wolt ich daß der Blitz den Aristotel schlug.
Hab ich zu solchem End in meinen iungen Tagen
Bey hellem Sonnenschein die Fackel müssen tragen,
Den Schmäusern eingeschenckt, die Backen groß gemacht,
So manches Maul gestillt, gedient so manche Nacht?
So spricht Herr Dünckel groß. In solchen hohen Sinnen
Verbleibt er wie er ist, weiß nichtes zu beginnen,
Kriegt endlich einen Freund, besucht ein fremdes Land,
Und singt das alte Lied, den Thüren wohl bekannt:
Sit nomen Domini: Der Herr hat einen Becher:
Der Wirth der ist ein Schelm, er borget keinem Zecher;
Von der Fortun werd ich, werd ich getrieben um;
Wilt du, mein edles Lieb, wilt du mit mir, so kumm.
Da geht der theure Mann; Die Hosen sind zerrissen
Er löschet wohl den Durst, thut aber schmale Bissen.
Ein lahmer Schuster hat von einer Kunst sein Brodt.
Der Siebenkünstler geht und leidet Hungers-Noth.
Ich wolte weiter hin zu andern Sachen treten,
Da sprach ein Freund zu mir: Wo bleiben die Poeten,
Das fromm und ehrlich Volck? Ich sagte rund und rein:
Wer fromm und ehrlich ist, der kan kein Schelm nicht seyn.
Wenn aber ein Poet nur mit der Saue läutet,
Und gern auf schändlich Ding mit groben Possen deutet;
Wenn seine gantze Schrift nach bösem Leumuth schmeckt;
Wenn er geheime Schmach der gantzen Welt entdeckt;
Wenn seiner Feder Ruhm besteht in solchen Sachen,
Daß er mit bitterm Schertz nur andre schwartz will machen;
Ein solcher Mann ist wehrt zu tragen einen Krantz,
Anstatt des Lorbeer-Zweigs, von einem Kalber-Schwantz.
Zulezt. Wer GOttes Geist in Demuth nicht ersuchet,
Der ist mit aller Kunst und Wissenschaft verfluchet,
Strebt nur nach eitlem Ruhm, und (das der höchste Stich
Der lautern Thorheit ist) liebt Niemand mehr als sich.
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)