Und zieh die Hosen aus, und leg den Schleyer an,
Gleich wie Alzides that, o lieber Hornemann.
Sie wird dich meisterlich nach ihrem Willen reiten,
Den Zaum bald an sich ziehn, bald wieder lassen gleiten,
Wies ihr am besten deucht. Itzunder wird sie dich
Gleich hertzen mit der Hand, bald einen Sporenstich
In deine Seiten thun, daß dir für Weh und Schmertzen
Die Augen übergehn, bald wird sie wieder schertzen.
Glück, Bretspiel, Weiber-Gunst, Rauch, Mond-und Sonnen-Schein,
Mag alles überlang nicht wol beständig seyn.
Bist du zur See gewest, wann sie kein Wind beweget,
Wenn durch die stille Luft die Fluth sich nährlich reget?
Hast du nicht angesehn, wie Nereus an den Saum
Des grünen Ufers wirft den Silberweissen Schaum?
Wenn Phoebus freundlich scheint und auf die Fluth hinstrahlet
Und sieht sein güldnes Haupt noch eins so krauß gemahlet
In Amphitriten Glaß? Hast du nicht acht gethan,
Wie Thetis denn sich stelt, und wie sie schmeicheln kan?
Bald aber quillt sie auf, erhebt die stoltze Wellen,
Beginnet durch den Sturm, biß in die Luft zu schwellen,
Beut allen Sternen Trutz, und brauset mit Gewalt
Auf hohe Klippen zu, wird grün und ungestalt.
Wol dem und mehr als wol, der nie sein armes Leben
Der ungetreuen Treu der See hat übergeben!
Neptun ist Sinnenloß. Er wirffet in die Luft
Das schwache fichten Hauß, bald wieder in die Gruft
Wo Radamantus wohnt: wil kein Erbarmen haben,
Erhöret kein Gebet, verschmähet alle Gaben,
Nimmt keine Thränen an, verdirbet Gut und Leib.
So sag ich, thut das Meer. So thut auch dieses Weib.
Wer einmal auf das Meer sich hat zur See begeben,
Der danckt der Freyheit ab, muß nur in Hofnung schweben,
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)