Nur römischer Stoff, nur griechsche Stärcke
Macht Ausdruck und Gedancken reich.
Rachel fodert beydes und ist ein Exempel der Möglichkeit von seinen Foderungen. Die bösen Sieben sind aus des Simonides Jambis, welche Stobäus aufbehalten, Buchananus übersezt, und der nicht schlechte neue lateinische Poet, Sebastian Schefer, in gewissen Choriambis zum Augenmercke gehabt hat. Wer in dem vortheiligen Mangel und in der guten Hauß-Mutter keinen Horaz und Persius und Naso erblickt, der ist blind. Wo seine Kinderzucht, sein Gebet, sein Gutes und Böses hergekommen sey, bekennt er selbst. In dem Freunde liegt Tullius, Plutarchus und manche andere Heimlichkeit der Vorwelt. Der Poet ist nach dem an die Pisonen abgegangenen Befehle, so wie es Vida lehret, so wie alle vernünftige Meister teutscher Lieder geboten haben.
Aber halt. Zu einem so kleinen Buche ist diese Vorrede schon zu lang. Du hast Recht, mein Freund, der du das glaubst. Bestimme auch nur dem Verfasser eine Strafe. Sie kan ziemlich hart seyn. Denn ich weiß es gewiß, daß er mit allem Vorsaze so weitläuftig gewesen ist. Doch hat ihn die Liebe zu unserm Zuchtmeister in solchen Fehler gestürzt. Vielleicht mindert dis sein Verbrechen. Wirst du also böse; so sey nur bald wieder gut. Laß wenigstens den unschuldigen Rachel nichts entgelten. Widme ihm einige Stunden, weihe ihm etliche bedachtsame Blicke. Wird doch Anna Owena, des Daphnis aus Cimbrien Galathee, des Homburgs Schimpf- und Ernsthafte- und Augspurgers reisende-Clio durchgeblättert. Warum nicht auch dieser ehrliche Mann? Er verdient gelesen zu werden. Der Hochbegabte Herr Prof. Gottsched sagt es. Liß ihn und wenn du ans Ende kommst; so sprich:
Den 8ten Jenner.
1743.
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)