Der scharfe Blick des Malers und Naturfreundes verleugnet sich auch nicht in diesen öden, düstern Gegenden:
„Der Sonne schwimmt ein Wölkchen nach,
spannt aus des Mantels rote Falten
und ruft zum Schlaf sie ins Gemach
des blauen Meers: mit Mutterwalten
hüllt es sie in ros’ge Windel
voll besorgter Eile.
Holder Anblick! Und ein Stündchen,
eine kleine Weile
scheints als ob dein Herze ruhe,
nur mit Gott noch spräche,
bis der Nebelgeist bedeckt bald
blauen Meeres Fläche.“[1]
Dieser melancholische Aralsee mußte aber schließlich die düstere Stimmung des Dichters steigern und diese resignierte Verzweiflung kommt in folgendem Gedichte zum Ausdruck:
„Ungewaschen der Himmel
und verschlafen die Wellen
und am Ufer, so weit man nur blickt,
Schilf und Schilf wie betrunken,
ohne Wind hingesunken
neigt sich, beugt sich und raschelt und nickt.
Mein Gott, soll ich noch lange
an dem elenden Tange,
in dem offenen Kerker zumal,
in den dumpfigen Mauern
meine Tage vertrauern
und versauern mir selber zur Qual?
Keine Antwort! Beständig
nickt das Gras wie lebendig,
will die Wahrheit mir nimmermehr sagen;
ach und sonst
hab’ ich niemand zu fragen.“[2]
Alfred Anton Jensen: Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Adolf Holzhausen, Wien 1916, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taras_Schewtschenko._Ein_ukrainisches_Dichterleben._Von_Alfred_Jensen_(1916).djvu/54&oldid=- (Version vom 16.9.2022)