zu verschaffen. Durch eine Lotterie, an der auch die kaiserliche Familie teilnahm, wurde die von Engelhardt geforderte Kaufsumme (2500 Rubel) aufgebracht; – solche Geschäfte mit lebendigen und toten Seelen wurden noch während der Nikolaischen Regierungszeit betrieben! Die Befreiung zog sich aber in die Länge und Schewtschenko erkrankte unterdessen schwer. Am 22. April 1838 wurde er endlich von der erniedrigenden Leibeigenschaft befreit. Über diese Metamorphose läßt Schewtschenko in seinem Künstlerroman seinen Lehrer Ssoschenko sagen:
„In der göttlichen Natur gibt es viel, unendlich viel Schönes, aber der Triumph und die Krone der unsterblichen Schönheit ist ein von Glück strahlendes Menschengesicht. Etwas Höheres, Schöneres kenne ich nicht in der Natur. An diesem Zauber konnte ich mich einmal im Leben voll und ganz ergötzen. Während einiger Tage war mein Schüler (Schewtschenko) so glücklich, so überaus schön, daß ich ihn nicht ohne tiefe Erschütterung ansehn konnte. Es strömte ein Teil seines grenzenlosen Glückes auf mich über. Einmal zerfloß er förmlich in höchster Entzückung, ein andermal strahlte er in stiller Wonne. Obwohl er während dieser Tage mehrmals den Versuch machte zu arbeiten, so brachte er dies doch nicht zuwege; oft steckte er seine Zeichnung in die Mappe, zog seine Freiheitsurkunde aus der Tasche, las sie immer wieder durch, Silbe für Silbe, bekreuzte sich, küßte sie und weinte. Um seine Aufmerksamkeit vom Gegenstand seiner Freude abzulenken, nahm ich ihm den Freibrief unter dem Vorwand, daß ich denselben bei Gericht einschreiben lassen müsse. Ihn selbst aber führte ich jeden Tag in die Galerien der Kunstakademie und als sein Anzug fertig war, kleidete ich ihn an wie eine Pflegemutter und führte ihn in das Gouvernementsgebäude. Nachdem dort die heilige Urkunde eingeschrieben wurde, führte ich ihn in die Galerie Stroganoff, zeigte ihm Velasquez im Original und wir beschlossen damit an diesem Tage unsere Wanderungen.“
Man kann sich ungefähr vorstellen, was der 22. April 1838 für Schewtschenko bedeutete. Er war frei und eine
Alfred Anton Jensen: Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Adolf Holzhausen, Wien 1916, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taras_Schewtschenko._Ein_ukrainisches_Dichterleben._Von_Alfred_Jensen_(1916).djvu/36&oldid=- (Version vom 16.9.2022)