Tiefe emporheben. Der Dichter wurde bekanntlich in dieser Hinsicht sehr enttäuscht, denn Likerija war nichts weniger als geeignet, die tröstende und rettende Lebensgefährtin des kranken, empfindsamen Dichters zu sein. Und seine bittre Enttäuschung bezieht sich wahrscheinlich auf sie in einem kleinen Gedicht drei Monate später, in welchem er von seinen Zukunftsplänen spricht. Er will eine Hütte mit einem Garten bauen, wo er ausruhn könne; aber auch hier „wirst du im Traum erscheinen und mein einsames Paradies verbrennen“.
Von seinem eignen Herzensleid spricht Schewtschenko überhaupt sehr wenig und es ist für seine Bescheidenheit und seinen demütigen Altruismus sehr charakteristisch, daß er die eigne Person immer in den Hintergrund treten läßt. Hier zeigt es sich wiederum, wie weit entfernt er von „dem byronistischen Nebel“ war. Niemals spürt man in seinen Liebesliedern die frohlockende Leidenschaft oder den Triumph des Liebesgenusses. Die Stimmung ist immer melancholisch und elegisch. Aber die einzelnen Qualen verbirgt der Dichter in der Tiefe seines Herzens und fast immer ist es das alleinstehende Mädchen – nicht der einsame Jüngling – das über das verlorene oder niemals errungene Liebesglück klagt.
„Ach ich bin so allein
wie ein Halm auf der Heide
und es gab mir mein Gott
hier kein Glück, keine Freude.
Schwarze Augen nur hat
mir der Herrgott gegeben,
doch ich weinte sie aus
in dem einsamen Leben.
Ich erwuchs ohne Heim,
ohne Schwestern und Brüder
und ich welke dahin
und erblühe nicht wieder.
Ach! wo bleibt denn mein Lieb?
Hört ihr, Menschen, mein Klagen?
Alfred Anton Jensen: Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Adolf Holzhausen, Wien 1916, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taras_Schewtschenko._Ein_ukrainisches_Dichterleben._Von_Alfred_Jensen_(1916).djvu/173&oldid=- (Version vom 7.10.2018)