Kosak, der in der ehemaligen Hetmanschaft gedient hatte, sitzt im weißen Hemd mit der Bandura in den Händen und spielt für die tanzenden Kinder, Stepan und Jaryna. Der Greis will seinen Stepan in die Welt hinausschicken und er verrät ihm das Geheimnis, daß Jaryna nicht seine rechte Schwester sei, da Stepan frühzeitig als Adoptivsohn ins Haus genommen ward. Sie könnten also einander heiraten, sobald Stepan zurückkommen werde. Diese Mitteilung verwirrt die natürliche Geschwisterliebe. Stepan und Jaryna verabschieden sich voneinander in wehmütiger Zärtlichkeit … Schon hat die Neigung zu sprechen begonnen. Früh am Morgen holt der Vater seine saporogischen Waffen hervor: den Säbel, „scharf wie eine Natter“, die Lanze und die Flinte, „sieben Spannen lang“ und er wünscht, daß diese dem Pflegesohn ebenso gut dienen mögen, wie sie ihm selbst in seinen jugendlichen Jahren dienten.[1]
Fünf Jahre bleibt Stepan vom Hause weg. Jaryna gesellt sich zu Pilgern und besucht Mezhyhorskyj Spas[2] und das Potschajiwsche Kloster in Wolhynien, um für den Geliebten zu beten und von seiner Rückkehr zu träumen. Sie wendet sich an eine Weissagerin, die in Wachs den nach Hause reitenden Kosaken hervorzaubert. Einmal hören der Vater und seine Tochter das Lied eines herumziehenden Kobsars: „Möwen“ (tschajky, d. h. saporogische Fahrzeuge) segeln von der Mündung des Dnipró aus, wobei viele an der Insel Tender ertrinken. Ihrer drei kommen aber auf das blaue Meer hinaus, und Stepan steuert gegen die türkische, die agarjanische[3] Erde. Dort wird er gefangen, in
- ↑ Diese Szene hat eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit dem Anfang von Gogols „Taras Buljba“, wo der Vater mit den beiden Söhnen das Haus verläßt.
- ↑ Ein Kloster bei Kiew, von dem letzten saporogischen Koschowyj Kalnyschewskyj, der ins Solowetzsche Kloster (1776) deportiert wurde, gegründet. Nach dem Volksglauben soll Polubotok als Mönch dort begraben sein.
- ↑ Türkisch, muhammedanisch, von dem biblischen Namen Hagar hergeleitet. Speziell bezeichnet das Wort christliche Renegaten, die zum Islam übertraten.
Alfred Anton Jensen: Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Adolf Holzhausen, Wien 1916, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taras_Schewtschenko._Ein_ukrainisches_Dichterleben._Von_Alfred_Jensen_(1916).djvu/139&oldid=- (Version vom 7.10.2018)