Und nun geschah das große Wunder. Das Mädchen wurde in eine Pappel verwandelt, die zu den Wolken emporragte, als wollte sie auf der Steppe ewig nach dem Geliebten spähn.
Der volkstümliche Ton ist in dieser Ballade vielleicht noch besser getroffen als in der vorigen, wo ein Schimmer von Romantik deutlich bemerkt werden kann. Besonders stimmungsvoll ist der Anfang der „Pappel“:
„Durch den Eichwald braust der Sturmwind,
jagt durch Steppenlande,
beugt die Pappel schier zur Erde
hart am Wegesrande.
Hoch gewachsen, breit an Blättern,[1]
wozu mag sie grünen doch,
blau umwogen wie vom Meere
in der Steppe Weite noch?
Der Tschmumake geht und sieht sie,
neigt sein Haupt vor ihr;
Früh der Hirt sitzt mit der Flöte
auf dem Grabeshügel hier;
schaut nach ihr – das Herz bräch ihm:
Kein Strauch ist in der Runde!
Einsam, einsam, eine Waise,
geht sie fern zugrunde!“[2]
Daß Schewtschenko in seiner Balladendichtung von Zhukowskij und besonders von Mickiewicz beeinflußt worden ist, kann nicht bestritten werden und ist schon von der literarischen Forschung genügend konstatiert.
Auf sehr realistischem Boden steht die Ballade „Die Ertränkte“ (Utóplena) (1841). Eine junge Witwe hat eine einzige Tochter, Hanna, die „wie ein Mohn am Zaun, wie eine Kalyna im Tale“ aufwächst. Die Mutter haßt sie, weil die Schönheit der Hanna ihren eignen Liebreiz verdunkelt und sie schickt sie aus dem Hause, um sich um so freier mit Männern vergnügen zu können. Ja, sie verschafft sich sogar
Alfred Anton Jensen: Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Adolf Holzhausen, Wien 1916, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taras_Schewtschenko._Ein_ukrainisches_Dichterleben._Von_Alfred_Jensen_(1916).djvu/116&oldid=- (Version vom 7.10.2018)