Im Frühling enthüllt diese Blumenwelt ihre bunte Farbenpracht und begeistert den Dichter zur Lobpreisung der sich immer neu verjüngenden Natur, „Der Frühling“ – heißt es in den „Hajdamaken“ – „ist wieder erwacht und[WS 1] hat die schläfrige, schwarze Erde geweckt; er ziert sie mit Himmelsschlüsseln und bedeckt sie mit Immergrün; die Lerche über dem Feld und die Nachtigall im Haine, sie heißen frühmorgens die vom Frühling geschmückte Erde willkommen.“ Oder in dem erzählenden Gedicht „Der Gefangene“ (Newoljnyk): „Mit Immergrün, Rauten und Himmelsschlüsseln schmückt der Frühling die Erde wie eine Maid im grünen Hain; die Sonne verzögert ihren Lauf und sieht die junge Erde an wie der Bräutigam die Braut.“
Und diese Landschaft mit den auf dem Horizont sich spiegelnden Steppen bekommt ihre charakteristische melancholische Staffage durch die Karawanen von mit Ochsen bespannten Lastwagen, die im Frühjahr nach dem Süden ziehn, um ukrainische Rohwaren gegen Salz, Fische etc. einzutauschen. Diese „Tschumaken“ spielen in der ukrainischen Volkspoesie ungefähr dieselbe Rolle wie die Prahmschlepper an der Wolga in der russischen. Mehrmals erwähnt Schewtschenko den „Tschumak“, der vom Lyman (der Mündung des Dniprós) „unglücklich mit fremder Ware die fremden (d. h. ihm nicht zugehörigen) Ochsen antreibt“. Weil eine Karawanenreise sehr langwierig war und fast ein halbes Jahr dauerte, verglich Schewtschenko seine trägen Jahre in der Verbannung mit einer Tschumakenfahrt.
Der Ausdruck Tschumak soll von dem Wort „tschuma“ (Pest) herrühren, weil jene Leute ihre Kleider mit Teer tränkten, um sich vor Pestansteckung zu schützen. In einem Gedicht[1] hat Schewtschenko geschildert, wie ein junger, von der Seuche angesteckter Tschumak auf der Steppe stirbt. Die Ochsen umstehn ihn düster und die Raben fliegen herbei, um den Leichnam zu zerfleischen. Der Tschumak bittet in der Todesstunde die Raubvögel, sie mögen zu seinem Vater fliegen, damit eine Seelenmesse für ihn gelesen
- ↑ Sowohl von Szpoynarwskyj wie von Julia Virginia übersetzt.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: nnd
Alfred Anton Jensen: Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Adolf Holzhausen, Wien 1916, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taras_Schewtschenko._Ein_ukrainisches_Dichterleben._Von_Alfred_Jensen_(1916).djvu/108&oldid=- (Version vom 7.10.2018)