Es war Hochfluth; als sie auf den Deich hinaufkamen, schlug der Widerschein der Sonne von dem weiten Wasser ihr in die Augen, ein Wirbelwind trieb die Wellen strudelnd in die Höhe, und neue kamen heran und schlugen klatschend gegen den Strand, da klammerte sie ihre Händchen angstvoll um die Faust ihres Vaters, die den Zügel führte, daß der Schimmel mit einem Satz zur Seite fuhr. Die blaßblauen Augen sahen in wirrem Schreck zu Hauke auf: „Das Wasser, Vater! das Wasser!“ rief sie.
Aber er löste sich sanft und sagte: „Still, Kind, Du bist bei Deinem Vater; das Wasser thut Dir nichts!“
Sie strich sich das fahlblonde Haar aus der Stirn und wagte es wieder, auf die See hinauszusehen. „Es thut mir nichts,“ sagte sie zitternd; „nein, sag’, daß es uns nichts thun soll; Du kannst das, und dann thut es uns auch nichts!“
„Nicht ich kann das, Kind,“ entgegnete Hauke ernst; „aber der Deich, auf dem wir reiten, der schützt uns, und den hat Dein Vater ausgedacht und bauen lassen.“
Ihre Augen gingen wider ihn, als ob sie
Theodor Storm:Der Schimmelreiter. Berlin: Gebrüder Paetel, 1888, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Storm_Der_Schimmelreiter.djvu/180&oldid=- (Version vom 1.8.2018)