mit ihren kleinen Händen zu streicheln, wie Kinder es bei einer lebenden Katze oder einem Hunde zu machen pflegen „Armer Kater!“ sagte sie dann und fuhr wieder in ihren Liebkosungen fort.
„So,“ rief nach einer Weile die Alte, „jetzt ist es genug; und sitzen kannst Du auch noch heut’ auf ihm; vielleicht hat Dein Vater ihn auch nur um deshalb todtgeschlagen!“ Dann hob sie das Kind an beiden Armen in die Höhe und setzte es derb auf den Schemel nieder. Da es aber stumm und unbeweglich sitzen blieb und sie nur immer ansah, begann sie mit dem Kopfe zu schütteln: „Du strafst ihn, Gott der Herr! Ja, ja, Du strafst ihn!“ murmelte sie; aber ein Erbarmen mit dem Kinde schien sie doch zu überkommen; ihre knöcherne Hand strich über das dürftige Haar desselben, und aus den Augen der Kleinen kam es, als ob ihr damit wohl geschehe.
Von nun an kam Wienke täglich zu der Alten in die Kammer; sie setzte sich bald von selbst auf den Angoraschemel, und Trien’ Jans gab ihr kleine Fleisch- oder Brotstückchen in ihre Händchen, welche sie allzeit in Vorrath hatte, und ließ sie diese auf den Fußboden werfen; dann
Theodor Storm:Der Schimmelreiter. Berlin: Gebrüder Paetel, 1888, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Storm_Der_Schimmelreiter.djvu/176&oldid=- (Version vom 1.8.2018)