– – Der Junge war Tags darauf zu Boden gelaufen und hatte auch bald das Buch gefunden; denn viele Bücher gab es überhaupt nicht in dem Hause; aber der Vater lachte, als er es vor ihm auf den Tisch legte. Es war ein holländischer Euklid, und Holländisch, wenngleich es doch halb Deutsch war, verstanden alle Beide nicht.
„Ja, ja,“ sagte er, „das Buch ist noch von meinem Vater, der verstand es; ist denn kein deutscher da?“
Der Junge, der von wenig Worten war, sah den Vater ruhig an und sagte nur: „Darf ich’s behalten? Ein deutscher ist nicht da.“
Und als der Alte nickte, wies er noch ein zweites, halbzerrissenes Büchlein vor. „Auch das?“ frug er wieder.
„Nimm sie alle Beide!“ sagte Tede Haien; „sie werden Dir nicht viel nützen.“
Aber das zweite Buch war eine kleine holländische Grammatik, und da der Winter noch lange nicht vorüber war, so hatte es, als endlich die Stachelbeeren in ihrem Garten wieder blühten, dem Jungen schon so weit geholfen, daß er den Euklid, welcher damals stark im Schwange war, fast überall verstand.
Theodor Storm:Der Schimmelreiter. Berlin: Gebrüder Paetel, 1888, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Storm_Der_Schimmelreiter.djvu/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)