Christen aber, die für solche schimpflichen Gegner ihrer Glaubensgenossen unter die Waffen treten, wissen nicht was sie thun. Die Blätter, die ich citirt habe, sind in jüdischem Besitz; die Eigenthümer sind für den Inhalt derselben moralisch verantwortlich.
Ich bin von einem anständigen Juden gefragt, was ich eigentlich mit meinem Angriff gegen das moderne Judenthum bezwecke. Meine Antwort ist die, daß ich in dem zügellosen Capitalismus das Unheil unserer Epoche sehe und deshalb naturgemäß auch durch meine social-politischen Anschauungen ein Gegner des modernen Judenthums bin, in welchem jene Richtung ihre hauptsächlichsten Vertreter hat. Aber nie würde ich daran gedacht haben, gegen bloß volkswirthschaftliche Irrthümer aufzutreten, wenn nicht mit denselben diese frivole Hetzjagd gegen alle christlichen Elemente unseres Volkslebens verbunden wäre. Der Jammer um mein Volk, das dabei sittlich und religiös zu Grunde geht, treibt mich, diese Bosheit in die Oeffentlichkeit zu ziehen und den Kampf gegen dieselbe aufzunehmen. Was hilft es, das Schlechte auf der Kanzel zu bekämpfen, unter welcher die Schreiber und Leser jener Presse sich nicht versammeln, oder in conservativen Zeitungen einen Schmerzensschrei auszustoßen, welchen jene Seelenmörder belachen, ihre Opfer nicht hören! Dagegen ist eine Volksversammlung noch immer die geeignete Wahlstatt, um den Kampf mit den Volksverderbern aufzunehmen. Daß ich dazu ein gutes Recht habe, sagt mir mein Gewissen; daß es dazu die höchste Zeit ist, vielleicht noch nicht zu spät, aber wirklich die letzte Stunde, sagt mir die sittlich-religiöse Verwirrung der Gegenwart. Unrecht möchte ich Niemandem thun; die, welche mir vorwerfen, daß ich als Geistlicher, als Hofprediger Zwietracht säe, möchte ich fragen, ob Abwehr der Schande Aussaat von Zwietracht ist. Jene Artikelschreiber und Possenreißer sind die Säeleute des Hasses, nicht wir, die wir ohne Haß im Herzen – das weiß Gott! – vor ihnen unsere Kirche schützen möchten. Das sind entartete Juden – sagt man – und es ist ein Unrecht, das ganze Judenthum für diesen Abschaum
Adolf Stoecker: Das moderne Judenthum in Deutschland. Wiegandt und Grieben, Berlin 1880, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stoecker_Zwei_Reden.djvu/32&oldid=- (Version vom 1.8.2018)