Zum Inhalt springen

Seite:Steig Ueber Grimms Deutsche Sagen.djvu/11

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen

letztere, vertreten durch Parthey, lernte die Sagen nun erst im Druck richtig kennen und zog den naheliegenden Vergleich zwischen der Gestalt der Sagen und der der Märchen. Dieser Vergleich scheint bei Parthey nicht zugunsten der Sagen ausgefallen zu sein. Er bemängelte die Kürze einzelner Sagen, die dem Interesse der Leser schaden könnte; er hätte wohl eine dichterische, seiner Meinung mehr anziehende Ausgestaltung der Sagen gewünscht. Auch wünschte er über Umfang und voraussichtlichen Abschluß des Buches sowie über seine Honorarverpflichtung ins reine zu kommen. Dies muß der Inhalt eines (nicht erhaltenen) Briefes gewesen sein, den Parthey an die Brüder Grimm richtete, und auf den Wilhelm – mit Jacobs Einverständnis nach Ausweis der einen Änderung – folgende Antwort gab:

Caßel am 4. April 1816.     

 Ew. Wohlgeboren

würde ich den Titel des Buchs zugeschickt haben, wenn nicht Hr. Röwer ihn schon vor 3. Wochen, wie ich glaubte, zu demselben Zweck für Sie von mir erhalten hätte. Er ist einfach:

Deutsche Sagen

[1][gesammelt] herausgegeben
durch

die Brüder Grimm.

Das Werk ist auf 3 Bände berechnet. Der zukünftige zweite enthält solche, die man Stammsagen nennen könnte, die nämlich mehr an geschichtlich bestimmte Personen gebunden sind; der dritte soll eine Untersuchung über das Wesen der Sagen und Erklärung des Ganzen enthalten. Doch besteht jeder Band als ein besonderes Werk für sich und um weder Ew. Wohlgeboren noch mich zu binden, habe ich nicht erster Band auf den Titel wollen setzen laßen.

Daß einige Stücke kürzer sind, als bei den Märchen, ist richtig und liegt in der Natur der Sache. Sollten sie, was ich nicht einsehe, darum weniger unterhaltend seyn, so wächst ihnen dagegen das besondere Intereße zu, das jeder an den Sagen seiner Gegend und seines Orts hat. Bei einer dichterischen Umarbeitung würde ihr wißenschaftlicher Werth verloren gegangen seyn. Wäre ich aber überhaupt nicht überzeugt, daß sie ein Publicum, wie die Kinder- und Hausmärchen fänden, von denen mir eben eine neue Auflage angekündigt wird, so würde ich gar kein Honorar gefordert haben.

Ich hatte als höchste Zahl 25 Bogen angegeben, ich sehe aber, daß etwa 30 ausgefüllt werden. Ich konnte dies unmöglich voraussehen,


  1. „gesammelt“ von Wilhelms Hand, „herausgegeben“ von Jacobs Hand.
Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/11&oldid=- (Version vom 1.8.2018)