Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner darin: Auguste Pattberg: Am Sonntag Morgen in aller Fruh, Romanze | |
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Am Sonntag Morgen in aller Fruh
Da kam mir eine traurige Bottschaft zu,
Dieweil mein Schaz hat Urlaub genommen;
Wann werd ich einstmahls wiederum zu ihm kommen?
Und will mich treulich lieben bis in den Tod,
Mit Freuden bin ich aus, mit Trauern heim gegangen;
Warum muss ich Dich verlasen, mein einziges Verlangen?
Ich wollt es wäre wahr, ich läg im kühlen Grab,
Mit Trauern muss ich zubringen meine Zeit,
Dieweil ich nicht kann haben was mein Herz erfreut.
Schau an mein bleiches Angesicht,
Schau wie es die Lieb hat zugericht,
Als wie die Lieb im Herzen, die niemand weiss.
Ich wollt Du köntst bei meiner Begräbniss sein
Und musst mich helfen legen ins Grab hinein,
Ich wollt du musst mich helfen tragen in das Grab,
Es war einmahl ein schöner Knab,
Der liebt sein Liebchen bis ins Grab,
Sieben Jahr und noch viel mehr,
Die Lieb die nahm kein Ende mehr;
Da ward sein Allerliebste krank,
Krank und kränker alle Tag,
Drei Stunde lang kein Wort mehr sprach.
Und als der Knab die Bottschaft hört,
Und er liess sein Haab und Gut
Und schaut, was seine Liebste thut.
Er greift ihr leisslich an den Arm,
Der war schon kalt und nicht mehr warm:
Sonst stirbt mein Schaz und sieht mich nicht.“
„Grüss Gott, Grüss Gott, mein schöner Knab,
Mit mir wirds heisen in das Grab,
Auf meinem Grab da steht ein Stein,
Da soll darauf geschrieben sein,
Dass wir die zwei allerliebsten sein,
Dass du mein allerliebster Knab
Mich treu geliebt bis an das Grab.“
- ↑ Aus der eigenhändigen Niederschrift der Frau Auguste Pattberg. Anklingend an Des Knaben Wunderhorn 2, 201 und 3, 17.
Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)