Selbstverständlich hat die von Frau Pattberg hier vertretene Anschauung Giltigkeit. Bemerkenswert ist, dass uns hier über die Aufzeichnerin der Sage hinaus auf ihren Gewährsmann vorzudringen verstattet wird, ähnlich wie es bei den Märchen der Brüder Grimm neuerdings durch Mitteilungen Herman Grimms aus ihrem Handexemplare mehr als früher möglich geworden ist.
Die Beiträge der Frau Pattberg erstrecken sich fast bis zum November 1807. Da las sie in ihrer Badischen Wochenschrift, Sp. 799, Arnims und Brentanos aus Hessenkassel im November 1807 datierte „Aufforderung, altdeutschen Volksgesang betreffend“, dieselbe, die auch in der Jenaischen Litteratur-Zeitung, in Zschokke’s Miscellen und in den Heidelbergischen Jahrbüchern veröffentlicht wurde. In ihrem Hauptteile eine wörtliche Wiederholung des von Brentano 1806 verschickten Zirkulars. Nach zweijähriger, durch den Krieg bedingter Trennung hatten sich Arnim und Brentano im Oktober 1807 bei Goethe in Weimar wiedergesehen und waren nach Kassel gegangen, wo Brentano jetzt wohnte. Von hier aus baten sie die Freunde ihrer Sache um neue Unterstützung. Eine der ersten Sendungen, die Brentano erhielt, kam von seiner Liederfreundin Frau Auguste Pattberg, und ehe Arnim über Frankfurt, im Januar 1808, zur bequemeren Überwachung des Wunderhorn-Druckes in Heidelberg eintraf, lagen die Lieder schon zur nachträglichen Ergänzung des der Hauptsache nach festgestellten Manuskriptes bei ihrem Verleger Zimmer bereit (Arnim und Brentano S. 229).
Arnim wählte sich gleich bei der ersten Durchsicht ein Jesuslied aus, behielt jedoch den Rest einstweilen zurück, weil er noch einiges Brauchbare für die Kinderlieder daraus zu nehmen gedachte. In der That weisen sich nach den erhaltenen Originalhandschriften (unten S. 111 und 115) die Kinderlieder „Auf dem Grabstein eines Kindes in einem Kirchhof im Odenwald“, S. 26
Liebe Eltern gute Nacht!
Ich soll wieder von euch scheiden etc.
und „Ach wenn ich doch ein Täublein wär“, S. 93
Dort oben auf dem Berge,
Da steht ein hohes Haus etc.
als von Frau Pattberg geliefert aus, das letztere mit einer interessanten, auf die Kinder berechneten Verwandelung der beiden Schlusszeilen. Gleichwie von Arnim auch das ihr im Wunderhorn 3, 70 ausdrücklich beigelegte Volkslied „Der Brunnen“, nach der Schreibung des Namens Patberg und der Orthographie zu urteilen – ein übrigens wichtiges
Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)