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Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/891

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hielt einen Augenblick inne, rief aus allen Kräften; dann läutete er wieder und der Hund begleitete mit Heulen den ungewohnten Ton.

Der Capuziner nahm seinen Schnappsack von der Schulter, horchte blitzenden Auges nochmals und nahm mehre eiserne Instrumente heraus. Er drehte das Thürschloß auf . . . Der Riegel aber hielt noch; einen Augenblick und der Pater hatte einen starken Stab gefunden an welchem er eine Art von Brecheisen befestigte, womit er rasch das Schloß sprengte. Nachdem er seine Instrumente wieder vorsichtig beigesteckt hatte, ging er auf den Flur des Klosters. Er durchwanderte die Gänge . . . eine sonderbar widerwärtige Atmosphäre umgab ihn . . . Als er eine der Zellen öffnete, lag ein todter Pater drin. Im Refectorio, wo der Tisch gedeckt und jetzt verschimmelte Speisen aufgesetzt waren, lag ein anderer Mönch mit dem Gesicht auf dem Tische – todt.

– Es waren drei Patres im Kloster, sagte die arme Frau. Der Capuziner flüsterte: Hoffentlich wird der letzte auch todt sein.

Er fing an, die sämmtlichen Zimmer zu durchsuchen. Aber er war nicht weit gegangen, da hörte er Aechzen und halberstickte Klagen. Als er das Zimmer öffnete, lag der Prior Deodatus, wie zum Hochamt angekleidet, auf seinem Ruhebett, das heilige Oel neben sich um das letzte Sacrament sich selbst zu geben. Sein Auge leuchtete noch einmal auf, als er den Ordensbruder erblickte.

– Gott zum Gruß und Jesum zum Trost, flüsterte der Prior. Ich werde nicht ohne Beichte und Absolution sterben.

– Ihr habt die Pest! sagte der Fremde, ihm fest in’s Gesicht blickend. Ich will es wenigstens versuchen, ob es noch hilft . . .

– O, ich sterbe leichter!

– Nein, Ihr sollt womöglich das Mal gar nicht sterben.

Und der fremde Pater schüttete dem vergebens Widerstrebenden eine große Dosis von dunklem Pulver ein.

– Du vergiftest mich! stöhnte der Prior, fast erstickend.

– Das würde nichts ausmachen, wenn der Vergiftete ohnehin nur noch ein paar Minuten zu leben hätte.

Der Prior fiel bald in tiefen Schlaf, aber in drei Tagen war er vollkommen genesen. Der Fremde – er hieß Rochus – war dagegen so schwach geworden, daß er sich in seine Zelle zurück zog und selbst nicht an dem Gebete und Gesange Theil nehmen konnte, sondern nur zuhörte was der Prior sagte. Rochus war ein Laienbruder aus Frankreich; aber der Erzbischof von Cambray schickte ihm die Decretalien als Ordensgeistlicher und versprach, ihn sofort zu weihen, wenn die Zeit der leiblichen Trübsal vorüber gegangen sein werde. Rochus blieb in dem alten Kloster und fing an, für die Pestkranken Medizin zu machen und in der That heilte er Alle, die sein Mittel gebrauchten.

Der Prior Deodatus schrieb diese Erfolge, die weit und breit bekannt worden waren, einem alten hölzernen Marienbilde zu, das seit langer Zeit neben alten halb vermoderten Altardecken und abgenutzten Kirchengeräthen in einer dunklen Kammer gelegen hatte. Er forderte zu Wallfahrten nach diesem Bilde auf und bat um reiche Almosen, denn wie bemerkt, er liebte

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 874. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/891&oldid=- (Version vom 1.8.2018)