angenommen: „Eure Mutter ist es, macht auf, ich hab’ [für] euch ein Laub und ein Dittel darauf!“ Da haben ihm die Kitzlein voller Freuden aufgemacht, aber der Bär hat sie alle drei gerade auf der Stelle (gleich darauf) geschluckt. Dann hat er sich nieder gelegt und ist schlafend geworden. Derweil ist die Geiß heim gekommen, und wie sie den Bären liegen sieht und die Kitzlein sind hin (fort), denkt sie sich gleich, daß etwas vorgekommen ist („daß sich etwas geschickt hat“), aber sie darf sich nichts ankennen (anmerken) lassen. „O, meine Geiß,“ hat da der Bär gesagt, wie er sie gesehen hat, „mir ist gar nicht gut und die Läuse beißen mich so viel, wenn du mir nur grad ein wenig suchtest!“ Da hat ihm die Geiß Läuse gesucht, und wie sie eine Weile sucht, ist der Bär wieder schlafend geworden. Jetzt hat ihm nachher die Geiß den Bauch aufgeschnitten und die Heweln sind außer gesprungen. Dann (daraufhin, hintennach) hat sie ihm den Bauch voll Steinen eingetan und hat wieder zugenäht, nur keinen Knopf hat sie nicht gemacht [an den Faden]. Wie der Bär aufkommt (aufsteht), jammert er halt noch besser: „O, meine Geiß“, sagt er, „ich kann es frei nimmer aushalten, so weh tut mir der Bauch!“ „Geh’!“ (fränkisch: ei! gelt!) hat die Geiß gesagt, „wenn du es probierest und kugelest dich etliche mal über das Backofendach hinunter, etwa (vielleicht) wird es besser.“ Da will sich der Bär über das Backofendach hinabkugeln, aber im Kugln ist ihm der Bauch aufgebrochen und die Steine sind ihm herausgefallen und der Bär ist tot gewesen.
Vom Wolf und di siebn Geißli. Es war emal e alte Geiß, di hat 7 junge Geißli ghabt. Un da is se fort un hat gsagt: „Kinderli, ich geh jetz fort un bring euch grüns Gras un gelbs Gras un en dickn, dickn Milchsack; aber macht die Tür schön zu un laßt niemand rein.“
Un nach ere Weil is der Wolf komme un hat gsagt: „Kinderli, macht auf, euer Mutter is da und bringt euch grüns Gras un gelbs Gras un en dickn, dickn Milchsack!“ Aber di Geißli habn gsagt: „Nee, du bist unser Mutter nit; unser Mutter hat kei so e grobe Stimm.“
Da is der Wolf widder in n Wald getrappt un hat Honig gfressn, damit sei Stimm sanfter worden is. Un danoch is er wieder zum Haus un hat wieder gerufen: „Kinderli, macht auf, euer Mutter is da und bringt euch grüns Gras un gelbs Gras un en dickn, dickn Milchsack!“ Aber die Geißli habn gsagt: „Lang emal dei Pfoten rein!“ Und wie se se gsehn habn, habn se gesagt: „Nee, du bist unser Mutter nit; unser Mutter hat kei so schwarze Pfotn.“ Da is der Wolf zum Müller getrappt un hat sei Pfotn ins Mehl getaucht, damit se weiß worden is. Und danoch is er wieder zum Haus un hat wieder gerufn: „Kinderli, macht auf, euer Mutter is da un bringt euch grüns Gras un gelbs Gras un en dickn, dickn Milchsack!“ Un da habn di Geißli sich die Pfotn zeich laß; un doch habn se gsagt: „Ach nee, ach nee, mer machn nit auf!“ Aber s Kleine war es vorwitzige, das hat aufgemacht. Un da is auch
Karl Spiegel: Märchen aus Bayern. Selbstverlag des Vereins für bayrische Volkskunde und Mundartforschung, Würzburg 1914, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiegel_Maerchen_aus_Bayern.djvu/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)