Und doch hat er den Text, hat er die Finger gestreift.
Prosa! — Rascher beschwing’ ich den Schritt im einsamen Waldweg;
Unmut steigt mir empor über die lesende Welt,
Über die schreibende mehr noch zürn’ ich. Allen Autoren
Wären es Verse, vielleicht, ich ließe die Leserin gelten;
Aber ein flacher Roman, aber ein langer Essay!
Und da sitzt sie im Walde, den Blick im Buche vergraben,
Gleich als wäre das Thal ihr das bekannte Gemach,
Nur mit der hölzernen Bank ward ihr das Sofa getauscht.
Aber ihr schweigt die weite Natur; papierene Weisheit
Macht sich laut, und das Wort hat die Empfindung betäubt.
Sucht nur im Spiegel des Buchs lebendiger Götter Gestalten!
Hermes darf euch gefallen und klug erscheinen Athene,
Wenn der Archäolog euch die Symbole benennt.
Glückliches Volk! Es schreibt populär der stolze Gelehrte,
Selbst die härteste Nuß knackt er behaglich euch auf.
In verständlichem Deutsch lullt es geschwätzig euch ein.
Welch unwirtliches Land verschmachtende Forscher durchirrten,
Illustriert vergnügt’s euch nach gelungenem Mahl.
Nicht zu den Sternen blickt mir empor! Ein billiger Atlas
Euch erzählt manch schreibender Arzt von zuckenden Muskeln,
Wie die Zelle sich teilt, malt der Botaniker auf,
Selbst die Gesetze des Raums versucht euch höflich zu modeln,
Wer Euklidischen Ernst nicht mehr für passend befand.
Kants Kritik der Vernunft leicht und verständlicher vor.
Paraphrasen beherrschen den Markt. Selbst denke mir keiner!
Erst aus vermittelnder Hand wählt sich der Leser den Stoff.
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/260&oldid=- (Version vom 20.8.2021)