Zum Inhalt springen

Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/26

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

habe, andere sagten, er habe Salz geschmuggelt. Mag sein; wer einmal dem Bösen sich verschrieben hat, lernt jeden Tag etwas Neues dazu; aber ich bleib doch dabei, was die alten Leute sagten. Auf den Bienen-Krisch ist erst gar nichts zu geben; der meint, der Bauer sei durch seine dreißig Bienenstöcke so reich geworden, die er in seinem Garten gehabt. Aber das redet er nur so in den Tag, weil er selbst solch ein versessner Honiggucker ist. Ich laß mir das nicht weismachen. Soviel wirft Honig nicht ab; das sieht jedes Kind.

„Nun, dieser reiche Bauer hatte einen Sohn, sein einziges Kind, und das war ein Erztaugenichts, schlug alles tot; darum gönnte ihm der Vater nichts, und lebten die beiden wie Hund und Katz. Als nun die Pest ins Land kam, und die Menschen starben wie Fliegen an den Pilzen, da dachte der Alte daran, sein Geld beiseite zu bringen. So stand er denn in einer Nacht auf und begab sich heim­lich in die Riege (Dreschscheune); dort grub er ein tiefes Loch. Er meinte, daß niemand es gesehen habe; aber der Sohn muß doch etwas davon gemerkt haben, was der Vater im Sinne hatte. Des andern Tages „um die Schummerstunde“ (Dämmerung) macht sich der Alte wieder dorthin auf, nachdem er den Sohn, wie gewöhnlich um diese Zeit, den Weg nach dem Kruge hatte einschlagen sehen. Sacht legt er die Thür an, und will eben sein Tönnchen versenken, da fällt ihm ein, sich noch in der halbdunkeln Scheune um­zusehen, ob nicht jemand da sei, der’s bemerken könnte, — und was sieht er? Grad oben auf dem großen Streck­balken liegt auf dem Bauch der Sohn und schielt auf den Vater herab. ,Du Hund!’ ruft der Alte in fürchterlichem Zorn; ,Du glaubst, ich sehe dich nicht, wie du da lauerst, — lauerst auf meinen Tod und auf mein Geld. Aber soll dir nichts helfen! Hasen sollen darüber jagen, Wölfe sollen

Empfohlene Zitierweise:
Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/26&oldid=- (Version vom 11.9.2022)