… Daß sie alle vor meinem Blick so eine Angst hab’n … „Du hast die schönsten Augen, die mir je vorgekommen sind!“ hat neulich die Steffi gesagt … O Steffi, Steffi, Steffi! – Die Steffi ist eigentlich schuld, daß ich dasitz’ und mir stundenlang vorlamentieren lassen muß. – Ah, diese ewige Abschreiberei von der Steffi geht mir wirklich schon auf die Nerven! Wie schön hätt’ der heutige Abend sein können. Ich hätt’ große Lust, das Brieferl von der Steffi zu lesen. Da hab’ ich’s ja. Aber wenn ich die Brieftasche herausnehm’, frißt mich der Kerl daneben auf! – Ich weiß ja, was drinsteht … sie kann nicht kommen, weil sie mit „ihm“ nachtmahlen gehen muß … Ah, das war komisch vor acht Tagen, wie sie mit ihm in der Gartenbaugesellschaft gewesen ist, und ich vis-à-vis mit’m Kopetzky; und sie hat mir immer die Zeichen gemacht mit den Augerln, die verabredeten. Er hat nichts gemerkt – unglaublich! Muß übrigens ein Jud’ sein! Freilich, in einer Bank ist er, und der schwarze Schnurrbart … Reservelieutenant soll er auch sein! Na, in mein Regiment sollt’ er nicht zur Waffenübung kommen! Überhaupt, daß sie noch immer so viel Juden zu Offizieren machen – da pfeif ich auf’n ganzen Antisemitismus! Neulich in der Gesellschaft, wo die G’schicht’ mit dem Doktor passiert ist bei den Mannheimers …
Arthur Schnitzler: Lieutenant Gustl. Berlin: S. Fischer, 1906, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schnitzler_Leutnant_Gustl.djvu/008&oldid=- (Version vom 1.8.2018)