Alles liegt in den Grenzen der Möglichkeit! Denn jede Wirklichkeit hat ihren Anfang in uns. Der Gedanke ist auch eine Gestaltung, die jenseits von uns weiterlebt. Wir sind ein Traum Gottes, die Welt aber ist unser Traum. Es gibt keinen Dualismus, es gibt nur eine vollkommene Einheit, die ewig zwischen den beiden Polen: ‚Tod – Leben‘ oder: ‚ich weiß – ich bin‘ pendelt! Es gibt in der Natur keine …“
„Es ist möglich, daß dies alles wahr ist!“ unterbrach ihn Zenon ungeduldig, es hatte sich seiner plötzlich das heftige Verlangen bemächtigt, vor dem allen zu fliehen. Er wartete die Ankunft Betsys nicht mehr ab, sondern eilte auf die Straße und war froh, in dem Gedränge untertauchen zu können.
„Also ich bin noch da!“ Er stellte sein Dasein körperlich fest, während er sich durch die Menge hindurchdrängte. „Ich kann doch nicht mehr länger so leben, ich kann nicht! Ich will nicht wahnsinnig werden!“ schrie in ihm plötzlich der Selbsterhaltungstrieb auf. – „Ich werde mit Ada in die Heimat zurückkehren und alles vergessen!“ träumte er und ließ sich von der Menge tragen, wohin sie wollte. Und er fühlte sich immer ruhiger, es wich langsam alle Furcht von ihm und die Erinnerung an jene schrecklichen Dinge. Doch gleichzeitig bemerkte er an den Menschen eine unverständliche Veränderung, die ihn beunruhigte. Die Gesichter schienen ihm nur Masken zu sein, durch die fremde rätselhafte Gesichter hindurchschimmerten. Und sie hatten so leuchtende, strahlende Blicke, daß sich über ihren Köpfen unaufhörlich
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/303&oldid=- (Version vom 1.8.2018)