„Und Sie haben recht,“ bestätigte er; er wünschte keine weiteren Erörterungen über diesen Gegenstand.
„Meine Lieben, aber es ist schon sehr spät!“ bemerkte Heinrich.
„Zwei Uhr! Verzeihen Sie, ich gehe sofort!“
„Also werden wir Sie nicht mehr vergeblich erwarten?“
„Sicher nicht! Und den Arzt bringe ich morgen Nachmittag mit!“ rief Zenon schon auf der Schwelle.
Er blieb vor dem Hotel stehen und schaute sich in der leeren, verregneten Straße um, als ein Wagen vorfuhr und die Scheibe geräuschvoll heruntergelassen wurde.
„Bitte, schneller, es ist kalt!“ Die Stimme kam ihm sehr bekannt vor.
„Sie hier!“ rief er plötzlich, als er die Silhouette Daisys erkannte.
„Ich habe auf Sie gewartet!“
„Auf mich! Auf mich!“ Er konnte es nicht glauben, und sein Erstaunen wurde plötzlich zur Furcht; er wich wie vor einer Halluzination zurück, aber eine weiße Hand zog ihn ins Innere des Wagens, die Tür schlug zu, und der Wagen rollte so leise fort, als flöge er durch die Luft.
„Miß Daisy?“ fragte er, nachdem er sich von seinem Staunen etwas erholt hatte.
„Das ‚morgen‘ ist bereits der heutige Tag!“ hörte er ihre leise Stimme.
„Und Sie haben auf mich gewartet?“
Sie war so sorgfältig in einen Pelz gehüllt, daß er nur hin und wieder, wenn sie an Laternen vorbeifuhren, ihre brennenden, großen Augen sah.
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/287&oldid=- (Version vom 1.8.2018)