„Ja, ja, ich werde mit euch fahren,“ bestätigte er, durch ihr Geplauder gerührt.
„Ja, und dann aber gleich nach Hause. Aber ich muß dir etwas sagen, du darfst es nicht weiter sagen, niemandem, nicht wahr, kein Wort …“
Er versprach es feierlich, sie umhalste ihn und flüsterte ernst:
„Wenn du nicht kommst, Onkelchen, dann weint Mama. Ich habe es schon oft gesehen.“
Sie sank auf das Kissen zurück, nahm seine Hand und sprach ganz ernst:
„Mama ist ganz allein. Papa ist immer krank, und ich kann doch auch nicht helfen! Die Mama hat’s sehr schwer! Verstehst du, Onkelchen!“ fügte sie hinzu.
Wie teuer wurden ihm in diesem Augenblick das goldene Köpfchen und diese blauen, klugen Augen! Die Vaterliebe war plötzlich in ihm erwacht, auf seine Lippen drängten sich Worte einer wundersamen Zärtlichkeit, der Liebe und der herzlichsten Besorgtheit um sie. Er legte seinen Arm um sie und küßte sie mit tiefster Zärtlichkeit, und das Mädchen, dem dies alles unerwartet kam, streichelte sein Gesicht und flüsterte bezaubert und glücklich:
„Onkelchen, du bist so gut, so lieb, so furchtbar mein … wie Papa.“
„Wie Papa,“ wiederholte er gleich einem Echo und ließ sich auf einen Stuhl nieder.
„Wirklich, Onkelchen, wirklich!“ flüsterte sie, ohne seine Hand loszulassen.
Er hörte dies freudig an, doch gleichzeitig begann
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/281&oldid=- (Version vom 1.8.2018)