„Meine Gleichgültigkeit!“ wiederholte sie wie ein Echo.
In ihm erwachte jenes alte, quälende Leid; er wendete sich von ihr ab.
„Ich bin gekommen, dich um Aufklärung zu bitten.“
„Nur deswegen?“ Entsetzen bebte in ihrer Stimme und in ihren Augen.
„Sie wurde mir gestern versprochen.“ Er rechtfertigte sich sehr kalt, denn sie schien ihm feindlich gesinnt zu sein, und er beschloß, sich zu wehren.
Sie setzten sich unter eine gewaltige Säule, die mit Hieroglyphen übersät war.
„Ja, du hast das Recht, zu verlangen … Ich will dir alles sagen … frage mich …“ In ihrer Stimme waren Tränen, über ihr Gesicht hatte sich schmerzhafte Trauer gebreitet. Doch ohne darauf zu achten, bohrte er seine mitleidlosen Raubtieraugen in sie.
„Warum damals … in jener Nacht? …“ Er war nicht imstande, die Frage auszusprechen.
„Es ist deine Tochter!“ entgegnete sie ehrlich und unerschrocken.
Er prallte beinah zurück, in tiefster Verwunderung, ja, als wäre er erschrocken, und konnte eine Zeitlang nicht reden.
„Wanda … meine Tochter … Wanda …?“
„Ja. Genügt dir diese Aufklärung …?“
„Das klärt mich über eine Tatsache auf, doch nicht über alles! Ich tappe im Dunkeln und kann nichts verstehen! Wanda – meine Tochter! Aber warum warst du später so gleichgültig? Wie konntest du es zugeben, daß ich so litt? Warum zwangst du mich
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/233&oldid=- (Version vom 1.8.2018)