des Unglücks und der Schande, zertritt ihr Herz und ihre Seele, nimm ihr das Menschliche, daß sie jeden Moment vor den Augen ihres Eigentümers erzittere, auf den Knieen seine Gedanken errate, daß sie nur sein Echo sei, sein Schatten, ihm Kinder gebäre und seine niedrigste unterwürfigste Dienerin und Sklavin werde … Denn der Herr will es so, der Herr macht die Gesetze, der Herr hat die Gewalt, das Geld, – also muß es so sein. Und wenn sie sich widersetzen sollte, dann töte sie! So ist es im Leben, und da kommt der schändliche Franzose und wagt es, uns diese gemeine Theorie von der Bühne herab zu verkünden, und wir hören zu, wir disputieren ganz ernsthaft über diese dumme, böse Phrase, o Ihr weiblichen Schwestern, Ihr Märtyrerinnen der männlichen Übermacht!“
„Heilige Geister, die ihr in Tieren wohnt, – das Weitere kennen wir schon von deinen Reden und Aufrufen her,“ bemerkte plötzlich Mr. Bartelet spottend.
Miß Dolly zuckte nur mit den Achseln, blieb aber eine Zeitlang stumm.
„Deklamiere, Dolly! Du solltest eigentlich erste Predigerin in dieser feministischen Kirche der Zukunft werden, du hast ja alle dazu nötigen Eigenschaften: eine weithinschallende Stimme, einen starken Glauben, den Haß gegen die Überzeugungen anderer, einen großen Vorrat höchst pathetischer und hinreichend dummer Phrasen, und du nimmst es mit der Wahrheit nicht so genau. Das ist doch das Fundament aller Tribunen!“
„Du Grobian, du Tyrann!“ zischte sie durch die
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/081&oldid=- (Version vom 1.8.2018)