verdecken und ihn auf den Mund zu küssen, auf diesen roten, ewig kußhungrigen Mund … Aber sie seufzte nur traurig und errötete bei diesem nicht zu erfüllenden Gedanken und umfing nur noch mit küssenden Augen sein schönes, etwas müdes Gesicht, die hellen und sanften Augen, den gierigen Mund, ach und jenes entzückende Lächeln, das in den Mundwinkeln lauerte, dieses gute, entwaffnende Lächeln.
„Miß Betsy hat versprochen, mir ein Wort zu sagen,“ flüsterte er.
„Was für eins? Ich weiß gar nicht mehr, daß ich irgend etwas versprochen habe.“
„Dort am Strand, heute morgen,“ erinnerte er sie hartnäckig.
„Nein, nein, es geht jetzt nicht, sie könnten es hören … Nein, Zen, später,“ bat sie ängstlich.
„Ich warte und verlange mit ganzer Seele nach Erfüllung des Versprechens.“
„Dann … Bitte mich nicht anzusehn, bitte die Augen zu schließen.“
„Ich sehe schon nichts mehr, ich höre nur.“ Er brachte seinen Kopf noch näher, und da flüsterte ihm Betsy, ganz in Flammen und ein wenig bebend, leidenschaftlich das unsterbliche: „Ich liebe“ ins Ohr. Sie flüsterte lange, während sie manchmal mit glühenden Lippen sein Ohr berührte, so daß er heftig bebte und noch heftiger seinen Kopf an ihr Gesicht preßte, gleichfalls abgerissene brennende Worte flüsternd, die sich mit so stürmischem Feuer in ihr Herz ergossen, daß sie nur mit einer letzten instinktiven Bewegung von ihm fortrückte und schwer
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/076&oldid=- (Version vom 1.8.2018)