als Nebel, Regen, Sturm und Schmutz, und ich habe doch keine Gummihaut, – ich fühle manchmal, wie ich zu Gallert werde, mich in Nebel- und Wasserströme verwandle.“
„Aber in Ihrer Heimat gibt es doch auch nicht immer Sonne,“ flüsterte sie leise.
„Ja, Miß Betsy, sie ist fast täglich da, und jetzt an diesem Tage, heute, leuchtet sie bestimmt, ihre Strahlen funkeln zauberhaft schön und glitzern in den Schneemassen,“ sprach er, seine Stimme senkend, als schaue er in die Ferne plötzlicher blendender Erinnerungen.
„Die Sehnsucht,“ sagte sie ganz leise und merkwürdig traurig.
„Ja, die Sehnsucht, die wie ein Geier herunterschießt und mit scharfen Krallen die Seele schmerzhaft zerfleischt, die wie ein Schrei aus der Seele dringt, aus dem tiefsten Grunde längst vermoderter Tage, die uns wie ein Orkan dahinträgt … wie ein Orkan. Lange schon, ganze Jahre, ist sie nicht mehr zu mir gekommen; ich dachte, ich trüge nur tote Schatten in mir, wie jedes gestorbene Gestern sie wirft. Doch die heutige Andacht, die Kirche, die Gesänge haben den Staub vergangener Zeiten zu neuem Leben erweckt, haben ihn belebt.“
„Mr. Zen …“ flüsterte sie und ergriff zärtlich seine Hand.
„Was, Betsy, was?“
„Einmal wirst du mich dorthin bringen, wir werden zu diesen Schneemassen fahren, die in der Sonne glitzern, zu jenen Tagen der Sonne wollen wir fahren, zu jenem warmen Lichte.“
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/028&oldid=- (Version vom 1.8.2018)