„Das ist nicht wahr!“ schrie er in einem plötzlichen Wutanfall.
„Aber sicher, ganz sicher,“ flüsterte sie verwundert und wich vor seinem irren Blick und seinem ganz veränderten Gesicht zurück.
„Ich muß krank sein, ich habe offenbar Fieber,“ sagte er laut und sah sich mißtrauisch im Zimmer um; doch es war niemand da, das Mädchen war fortgelaufen, alle Türen standen offen.
In allen Zimmern brannten die Lichter, die Möbel standen in rohen, wuchtigen Umrissen da, die Spiegel funkelten wie strahlende, leere Augen, die Blumen in den Vasen prangten in ruhigen Farben, die schweren Vorhänge verhüllten die Fenster, und von den Wänden schauten einige düstere Porträts hernieder.
Alles dies kannte er, er erkannte es, erinnerte sich daran … Er fühlte, daß er bei sich in seiner Wohnung war, und doch … und doch … Durch diese Möbel und Wände, durch diese Spiegel und Blumen lugten die Umrisse der Erinnerung heraus, die nebelhaften Umrisse irgendwelcher anderer Dinge, von Dingen, deren er sich auf keine Art entsinnen konnte, und die doch irgendwo existierten … von Dingen, die in zarten Schatten, in unfaßbaren Visionen auferstanden …
„Ich verstehe nichts … gar nichts!“ rief er und vergrub seinen Kopf in den Händen.
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/026&oldid=- (Version vom 1.8.2018)