Sie uns noch etwas über den Untergang der Renaissance sagen wollten. Sind Sie wirklich der Ansicht, daß der Protestantismus — —“
„Nun,“ fuhr Delius völlig unbeirrt und unpersönlich fort — er sah dabei die kappadozische Dame fest an, aber so, als ob sie gar nicht da wäre — „nun, der Protestantismus bedeutet den Sieg — ja, leider den Sieg des jüdisch-christlichen Elementes über den Rest von Heidentum in der katholischen Kirche — glauben Sie nur — was überhaupt an diesem Christentum, über das ich mich jetzt nicht näher auslassen möchte, — in jenen traurigen Zeiten des Niedergangs noch lebendig und glühend war — das ist Rom — das ist die Blutleuchte des Altertums — die Blutleuchte Roms — (Blutleuchte — ein wunderbares Wort — aber was mag es bedeuten? ich warf dem Philosophen einen flehenden Blick zu, und er winkte beruhigend: später, später.) Rom und immer wieder Rom — Wissen Sie,“ und dabei überschlug sich seine Stimme in einem jähen Auflachen, „wissen Sie, daß dieser abtrünnige Mönch einfach ein Jude war — ja,“ fügte er gedehnt und geheimnisvoll hinzu: „Geist ohne Substanz, das ist immer der Weg zum nichts. Seien Sie überzeugt, daß keiner ihn ungestraft beschreitet. Der sogenannte Geist und die Selbstvernichtung der Substanz, — das ist immer dasselbe. Ja, der Fluch all dieser neuen Gestaltungen, — das ist der Geist und sonst
Fanny Gräfin zu Reventlow: Herrn Dames Aufzeichnungen. Albert Langen, München 1913, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Herrn_Dames_Aufzeichnungen.pdf/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)