Erscheinung, bei der die Größen ohne Strich in einer bestimmten Weise voneinander abhängen, so ist auch möglich eine Erscheinung, bei der die Größen mit Strich in derselben Weise voneinander abhängen. Ist also für A eine gewisse Erscheinung möglich, so ist auch eine Erscheinung möglich, die sich an B in gleicher Weise zeigt. Diese Erscheinung stellt dann in Wirklichkeit einen anderen Fall dar als die erste, und man kann sich fragen, wie dieser Fall sich dem Beobachter A zeigt. Das Relativitätsprinzip gibt so die Möglichkeit, aus der Existenz einer Erscheinung die Möglichkeit einer anderen Erscheinung abzuleiten. Es lehrt aus Erscheinungen in einem System von Körpern, das relativ zu A ruht, Erscheinungen in einem System, das für A in Bewegung ist, vorherzusagen.
Aus (6) folgt gleich
(13) |
Multipliziert man beide Gleichungen miteinander, beachtet man (7) und addiert man zu beiden Seiten der erhaltenen Gleichung bzw. , so bekommt man die wichtigste Beziehung der Relativitätstheorie:
(14) |
Es möge nun zur Zeit vom Ursprung des Koordinatensystems von A (in diesem Augenblick zugleich der Ursprung des Koordinatensystems von B) ein Lichtsignal ausgehen. Dieses Lichtsignal pflanzt sich im Koordinatensystem von A nach allen Richtungen mit der gleichen Geschwindigkeit c fort. Die Fläche, wo das Signal zur Zeit t angekommen ist, wird bestimmt durch die Gleichung
Wir denken uns, daß B die Fortpflanzung des nämlichen Lichtsignals studiert. Aus (14) folgt, daß für die Punkte, in denen es nach einer gewissen Zeit t' angekommen ist, auch gilt
m. a. W. daß diese Punkte für B auf einer Kugel mit dem Halbmesser ct’ liegen. Beide Beobachter werden also dem Licht dieselbe Geschwindigkeit c zuschreiben. Hierin ist, wie man leicht einsieht, das negative Ergebnis des Michelsonschen Versuchs enthalten.
Die Transformationsformeln (6) und (7) sind gerade darauf angelegt worden, um die Beziehung (14) zu erhalten.
Das Relativitätsprinzip ist eine physikalische Hypothese, die in sich schließt, daß alle Kräfte sich mit der Geschwindigkeit c fortpflanzen. So auch die Gravitation. Wenn diese sich mit einer andern Geschwindigkeit c’ fortpflanzen sollte, so würde für die Erscheinungen,
Hendrik Antoon Lorentz: Das Relativitätsprinzip. B.G. Teubner, Leipzig und Berlin 1914, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Relativitaetsprinzip_(Lorentz).djvu/11&oldid=- (Version vom 1.8.2018)