Leben. Das zweite Päckchen entrollte sich, Theresa schlüpfte in die weiten grünseidenen Hosen von türkischem Schnitt, in das perlenbesetzte Jäckchen und enthüllte dann erst das einstige, erste Geschenk des geheimnisvollen Asketen Oliver Brex: Die Opiumraucherausrüstung, von der sie sich nicht einmal bei ihrer überstürzten Flucht getrennt hatte.
Wie damals so oft im weißen Bungalow am weißen Seeufer häufte sie auch hier inmitten der Weltstadt Berlin mit ihren nüchternen Straßenzügen, verräucherten Häusern und lebenskampfmüden Menschenmassen viele weiche Kissen auf dem Teppich auf, ließ sich mit untergeschlagenen Beinen darauf nieder und öffnete das goldene Schächtelchen, das nur noch fünf Tschandupillen enthielt. Sie spießte eines der kostbaren Kügelchen auf die silberne Nadel, preßte es in den Achatkopf der Pfeife, rieb ein Zündholz an, hörte das feine Knistern der Pille und sog den weißen Rauch ganz tief und ganz langsam in die Lungen ein …
Drei Züge genügten bereits, bei ihr jenes Gefühl erhöhter geistiger Spannkraft und wunderbarer körperlicher Leichtigkeit zu erzeugen, das ihr nicht nur die Vergangenheit in plastischen, scharfen Bildern ganz nahe rückte, sondern auch jenes heimtückische Auslösen aller sittlichen Hemmungen hervorrief, das für den Opiumgenuß so überaus kennzeichnend ist und den Opiumraucher, selbst den mäßigsten, auf eine Stufe mit dem nur seinen Instinkten gehorchenden Tier stellt. In
W. von Neuhof: Rauschgiftpatrouille. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1933, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Rauschgiftpatrouille.pdf/78&oldid=- (Version vom 1.8.2018)