Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung | |
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Stande anbetete. [1] Neben diesem Liebhaber bestand derjenige, der durch keine anderen Hindernisse von einer gänzlichen Vereinigung mit seiner Geliebten abgehalten wurde, als diejenigen, welche ihm die Sprödigkeit seiner Geliebten und die Sorge für ihren Ruf entgegen setzte.
In den Gedichten, welche diese letzte Art von Situationen wirklich eingab, oder einzugeben schien, findet man nun diejenige Denkungsart über die edlere Liebe wieder, die ich oben die anständig sinnliche Galanterie genannt habe, und welche auf einer verfeinerten Sinnlichkeit beruht.
Allgemein war die Idee, daß ein zu leichter Sieg der Liebe schade, und ihren höchsten Reitz abstumpfe. „Eine Dame, die sich zu leicht entflammt,“ sagte Savary de Mauleon, „weiß nicht zu lieben, und fehlt eben so sehr gegen die Klugheit als gegen die Pflicht der Liebe.“ – „Eine Dame, die durch lange Prüfungen ihres Liebhabers sich von der Aufrichtigkeit seiner Leidenschaft überzeugen will, ist bey gleichen Vorzügen einer andern vorzuziehen, die Alles gewährt, ohne sich lange bitten zu lassen,“ sagt Guillaume de la Tour. – Nach eben diesen Grundsätzen sagt Hugo Brunet: „der allzubald befriedigte Liebhaber verliert die Reitzungen seiner Begierden. Warum? Weil ein Geschenk, das die anständige Liebe lange zurückhalt, tausendmahl mehr werth ist, als dasjenige, welches die andere Liebe verschwendet.“ [2]
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.2.djvu/97&oldid=- (Version vom 1.8.2018)