Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung | |
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Bemühungen gegeben, die Gewalt der Kirche auszubreiten, und die weltliche Macht zu untergraben. Allein die entferntere Veranlassung dazu mag in der aufs Höchste gestiegenen Unordnung und Anarchie gelegen haben. Wenn diese zu dem Gipfel gelangt, daß sie alle geselligen Bande aufzuheben, und eine völlige Ungewißheit in den Grundsätzen des Betragens, und des Beurtheilens nach sich zu ziehen drohet; so findet sich der Mensch von selbst gedrungen, gewisse Regeln seines Verhaltens gegen andere Menschen festzusetzen, und der Vernunft eine gewisse Methode vorzuschreiben, die sie bey ihrem Wirken beobachten soll.
Deutlich erhellet dieß aus der in diesem Jahrhunderte aufgekommenen Treuga dei, oder Gottesfrieden, wodurch Hülfsbedürftige gegen die Gewaltthätigkeiten der Befehdungen der Mächtigern unter einander von der Kirche in Schutz genommen wurden. Es erhellet aus der Organisation, welche die Hierarchie in diesem Zeitraume erhielt; es erhellet aus der häufigen Entstehung von Sekten und einzelnen Verbindungen, welche zur Verbesserung der Religionslehre und der Sitten gestiftet wurden; [1] endlich aus den Spuren einer zunftmäßigen Einrichtung, der die Stände der Geistlichen, der Ritter, der Gelehrten, der Künstler, und der Handwerker, besonders gegen das Ende dieses Jahrhunderts, unterworfen wurden. [2]
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.2.djvu/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)