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Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.2.djvu/330

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leicht denken. Darum ist der Patito, der Gelittene, nicht immer der Gradito, der Geliebte, und die Cicisbeatur ist für die Dame eine zweyte Art von Heirath, oft drückender als die erste. Häufig gewinnt der Mann dabey, der seltener gesehen, seltener lästig wird. Zu der Zeit, als ich in Italien war, suchten die Weiber du bel air ein lächerliches Licht auf diese Verhältnisse zu werfen. Sie gaben ihnen das Ansehn einer bloßen Ceremonie, deren Langweiligkeit sie auf keine Art und Weise zu verbergen suchten. Nur diejenigen, welche an Cicisbeen von schöner Gestalt und angenehmen Manieren hingen, wagten ihre Neigung für diese zu gestehen, und bemühten sich zugleich, die Idee einer bloß platonischen Liebe als altfränkisch zu entfernen. Das alte System behielt inzwischen noch seine Anhänger unter beyden Geschlechtern.

Zu Anfang dieses Jahrhunderts hielt Gravina in seiner Ragione Poetica dem amore razionale ovvero Platonico eine schöne Lobrede. [1] Der Graf Algarotti versichert uns hingegen in seinem Congresso di Citera, der 1768 herauskam, daß zu seiner Zeit die gute Gesellschaft in Italien, (le gentile persone) in zwey Sekten getheilt gewesen sey, von denen die eine die Art zu lieben, die jenseits der Alpen die gewöhnlichere ist, die andere die alte vaterländische Weise in Schutz genommen hätte. Er läßt nun zwar die letztere Partey, als die bessere, die Oberhand behalten, und ihre Delegatin zu dem Congresse absenden; aber doch am Ende durch die Wollust (volutta) die Entscheidung fällen: Ovid sey der wahre Lehrer


  1. Libr. II. §. 28. p. 232.