Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung | |
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Auf die Bigotterie und die Eingezogenheit Cromwells folgte der Unglaube und die Ausgelassenheit Carls des Zweyten in England. In diesen Zeiten zeichnen sich die Sitten der Großen und die Produkte des schönen Genies durch Leichtsinn und selbst durch Schmutz aus.
Es ist zu vermuthen, daß dieser Ton nur bey Hofe herrschend gewesen sey. Nach der Revolution, welche Wilhelm den Dritten auf den Thron setzte, gewann die Sittlichkeit auch bey diesem die Oberhand, ohne die französische Höflichkeit, welche Carl der Zweyte mit nach England herübergebracht hatte, zu verbannen. Die Regierungen der Königin Anna, und der Könige aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg haben diejenigen Romane hervorgebracht, welche Muster für alle kommende Jahrhunderte in dieser Gattung abgeben werden: die Meisterstücke Richardsons und Fieldings.
In einem Staate, dessen Verfassung sich der republikanischen nähert; unter einem Volke, das sich viel mit dem Handel und öffentlichen Angelegenheiten beschäftigt, die jungen Mädchen nicht bis zu ihrer Verheirathung in Klöster eingesperrt, und dabey sehr religiös ist; müssen die Begriffe über den Anstand strenger, der Umgang unter beyden Geschlechtern minder häufig, mithin auch das Betragen gegen das zärtere zurückhaltender
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.2.djvu/316&oldid=- (Version vom 1.8.2018)